D 2018, 116 min
FSK 6
Verleih: Sony

Genre: Tragikomödie, Roadmovie

Darsteller: Lars Eidinger, Bjärne Mädel, Jella Haase, Sandra Hüller, Franka Potente, Alexandra Maria Lara, Jördis Triebel, Wotan Wilke Möhring

Regie: Markus Goller

Kinostart: 01.11.18

9 Bewertungen

25 km/h

Deutschland – Deine tollen Typen

Obwohl es der Verleih natürlich komplett umgekehrt sieht und Freude bekundende Vokabeln wie „endlich“ unters Volk wirft: Die Wiedervereinigung von Regisseur Markus Goller und Drehbuchautor Oliver Ziegenbalg war kein Grund zur Euphorie, schaute man sich das gemeinsam verbockte Debakel FRIENDSHIP! an. Aber der aufmerksame Leser bemerkte ja die obige Zwischenzeile und zog Schlüsse draus …

Nun denn: Erich ist tot. Traurig, doch wie das Leben so spielt – einer geht, jemand kommt. Namentlich Sohn Christian, und zwar zu spät zur Trauerfeier. Halt unablässig auf Achse, ein Weltenbummler, Workaholic, entfremdet sowieso. Bruder Georg blieb daheim, hat den Vater begleitet und reagiert unwirsch auf Christians Erscheinen: erst Hiebe, dann eisiges Schweigen, letztlich schließt sich die kommunikative Lücke, man spricht dem Alkohol zu und – wen nimmer im Suff blöde Ideen übermannten, der werfe den ersten Stein – entscheidet, auf vor vielen Jahren angedachte Deutschland-Tour zu gehen. Mit Mofas, ergo kaum im Sauseschritt, das unbedingt einzuhaltende Tempolimit steht im Titel. Wichtige geplante Stationen unterwegs: beim Griechen die gesamte Speisekarte bestellen, eine schlafende Kuh umwerfen (was gegen Ende zum herrlich beiläufigen Gag führt), Sex. Zielvorgabe: am Timmendorfer Strand in die Ostsee pinkeln. Also los!

Während am Hintern Hornhaut wächst, benötigt das filmische Gelingen dieser inländischen Odyssee nie mehr als zwei großartige (Tragi-)Komödianten, querköpfige Charakterdarsteller; Lars Eidingers offensive Sexy-Arschloch-Attitüde hier, Bjarne Mädels verschlossene Knarzigkeit dort. Das paßt, ergänzt und versteht einander, knistert chemisch. Alle weiteren aufgebotenen Stützpfeiler des teutonischen Films – Sandra Hüller, Jella Haase, Franka Potente, Jördis Triebel, Wotan Wilke Möhring – bilden da eher luxuriöse Beilagen. Und Alexandra Maria Lara erklärt wie gewohnt Augenaufriß zum mimischen Ausdrucksmittel. Manchmal steckt man eben tief in seiner Haut, kann schlicht nicht raus.

Ein Problem, welches Christian und Georg genauso plagt. Warum, darüber geben dankenswerterweise nur wenig vom blendenden Rampenlicht beleuchtete, punktuell implementierte Seelenfelsbrocken Auskunft. Da heißt es, Erich hätte zuletzt Jähzorn und Härte eingebüßt, sei regelrecht witzig gewesen, man müsse verzeihen, Mamas Verlust … Daß der verlorene Sohn dem ständig anwesenden, pflegenden stets vorgezogen wurde, hindert Christian nicht dran, Vaters Krebs verdient zu nennen. Wunden pulsieren, Verletzungen brennen, sich und anderen zugefügt, extern empfangen. Abgründe, ebenso treffend auf- und angerissen wie Sprachlosigkeit oder totale Verweigerung der Selbst-Reflexion. Da braucht’s zu ausgleichenden Erholungszwecken jede Menge Humor, gereicht in mal kleinen, mal größeren Dosen, immer ohne Brechstange gesetzt, meist gut für ein nach innen strahlendes Schmunzeln angesichts einer definitiv erfahrungserweiternden Sexszene, Christians Großmaulerei oder eines zickigen Polizistenduos. Schöne Sache, wenn deutsches Kino die Entspannung sucht, trotz des hiesigen Familiendramas einfach leger bleibt.

Und dramaturgische Überhöhungen dazu nutzt, fiese Fragen zu flüstern: Du da in Reihe F ganz links außen! Wo hast Du eigentlich Deinen Mut gelassen? Wohin verschwand sie, Deine Leichtigkeit, wieso planst Du Dein Dasein dermaßen durch, hangelst an Regeln lang? Und pfeifst, verdammte Axt, nicht jetzt sofort drauf?!

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...