D 2018, 145 min
FSK 12
Verleih: Alamode

Genre: Roadmovie, Liebe

Darsteller: Mala Emde, Anton Spieker

Regie: Hans Weingartner

Kinostart: 19.07.18

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303

Vom Verlieben

Es ist wohl eine der romantischsten Vorstellungen, die es gibt: Mit einem alten Bulli quer durch Europa bis nach Portugal fahren, und das mit einem Menschen, in den man sich gerade verliebt. Dabei ist anfänglich nicht alles klar zwischen Jule und Jan – im Gegenteil. Die 24jährige Biologie-Studentin, die gerade durch eine Prüfung gerasselt ist und ihrem Freund von ihrer ungeplanten Schwangerschaft erzählen muß, findet Jans Kommentare zum Thema Selbstmord ziemlich daneben. An einer Tankstelle hatte der Politik-Student sie gefragt, ob er ein Stück mitfahren kann, in diesem wunderschönen alten Mercedes-Bus – mit der Nummer 303.

Dann aber stellt sich ziemlich schnell Vertrautheit ein. Sie düsen über Autobahnen, überqueren Ländergrenzen, es ist Sommer, die Welt ist überall und nirgends. Es ist die Freiheit der Jugend, die Hans Weingartner hier sehnsuchtsvoll bebildert. Und die ist wunderschön anzuschauen. Das liegt nicht nur an den sehr sympathischen Hauptdarstellern, es sind auch die abgelegenen Felder, Flüsse und Strände inmitten von Europa, die hier ziemlich gut in Szene gesetzt werden.

Doch – trotz der schönen Bilder – ist 303 ein Dialogfilm. Ununterbrochen philosophieren die beiden über das Leben und die Liebe oder das, was sie sein kann. Wie zwei wandelnde Lexika erklären sie sich gegenseitig die Welt, werfen mit Zahlen, Fakten und Theorien um sich. Das ist informativ, wirkt aber zuweilen aufgesetzt – beschäftigt man sich nicht gerade am Anfang einer Liebschaft eher mit der Vision vom eigenen künftigen Leben? Zumal Weingartner mit seiner Gedankenkonstruktion sehr tief in die Geschlechterklischees abrutscht. Während Jule von Kooperation und romantischer Liebe redet, verteidigt Jan den egoistischen Menschen und scheint nicht viel vom dauerhaften Glück zu zweit zu halten. „Monogamie ist kulturell produziertes Unglück“, sagt er, während er sie sehnsuchtsvoll anschaut. Das ist schade, hätte doch gerade dieser Film die Möglichkeit gehabt, die Komplexität zwischenmenschlicher Beziehungen und den gesellschaftlichen Wandel dahinter zu reflektieren. Zumal der Regisseur mit seinen Filmen wie DIE FETTEN JAHRE SIND VORBEI Geschick bewiesen hat, den Finger in die Wunde zu legen.

Was aber nach Weingartners Film bleibt, ist das Gefühl des Verliebtseins (er zeigt den wahrscheinlich längsten „Nicht-Kuß“), wenn noch alles offen ist, das Leben vor einem liegt, und die Leichtigkeit, an die man sich in späteren Jahren so gern erinnert.

[ Claudia Euen ]