Der Aufhänger Weihnachten ist ein sehr gut gewählter, geht es in Theresa von Eltz’ Langfilmdebüt doch vor allem um äußeren Druck und übersteuerte Erwartungshaltungen, Zeitgeistphänomene also, die Lara, Timo, Fedja und Alex dahin gebracht haben, wo sie nun die Feiertage verbringen müssen – in der Klapse. Die Päckchen, welche die vier Teenager zu schleppen haben, sind enorm. Exemplarisch Lara, die auf einem Scheißtrip hängengeblieben ist, zu Stabilität zurückfinden, den Verlust des kleinen Bruders verkraften und auch die Kälte, Ichbezogenheit einer Sackgassenehe, wie sie ihre Eltern exerzieren, überwinden soll. Leichter gesagt, denn nochmals: große Päckchen. Hinzu kommen bei Fedja, Alex und Timo Gewichtiges wie Heimatlosigkeit, Traumata, die mit Herdplatten zu tun haben, häuslicher Gewalt und Scheidung.
Der Umstand, daß die Vier nun in der Klinik bleiben müssen, hat bei solcher „Faktenlage“ fast etwas Beruhigendes, zumal es Dr. Wolff gibt, der wirklich helfen will, der an bessere Zeiten und Zustände glaubt, der vertraut. Beileibe keine Lichtgestalt, aber einer, dem man glaubt, wenn er fragt, wie es denn so geht. Denn genau das wurde den Jugendlichen entzogen: Ehrlichkeit und Vertrauen. Ersetzt durch Überwachung, Bevormundung, Aufgabe.
Daß sich die Vier einem ins Herz mogeln, dauert. Was von den Drehbuchautorinnen gut gedacht ist, platte Schwarzweißmalerei von Gut und Böse hätte Glaubwürdigkeit gekostet. All die Provokationen und Unsicherheiten, das Anzügliche, und Aufbegehrende, die duckende Scheue und rausdonnernde Wut nimmt man den Vieren ab, allein, wenn man in ihre Gesichter schaut, wenn man ihnen zuhört. Lara antwortet auf die Frage, was sie bezüglich Weihnachten fühlt, sehr deutlich: „ Ich fühl’ eigentlich nichts!“ Diese Leere ist symptomatisch und logische Konsequenz für das, was uns allen da „draußen“ ständig zusetzt: Druck, Erwartungen, Hamsterräder. Und gerade zu Weihnachten dieser Terror, der hier unumwunden verbalisiert wird: zu viele Geschenke, keine Geschenke, Scheißgeschenke, Kekse, die nach Scheiße schmecken ... Diese künstliche, an ein vermeintlich christliches Fest gepappte Harmoniesucht taugt zum perfekten Spiegelbild einer kollektiven Zerrissenheit, einer mühlenartigen Anpassung, nach der man zu gefallen und das Maul zu halten hat, weshalb man nicht selten Leerstellen durch das Reinstürzen in die Arbeit zu schließen sucht.
Von Eltz erzählt vom Versagen der Eltern, deren Egozentrik es vermag, daß Kinder sich für ihre Eltern schuldig fühlen. Das heutzutage nicht selten zu hohe Alter der Eltern, deren Streitsucht, Müdigkeit, Desinteresse und Unvermögen richten Wüstes an. 4 KÖNIGE formuliert eindrücklich ein einziges großes Versagen, wofür auch steht, wenn zu Weihnachten nicht das Gewünschte geschenkt wird, sondern mal wieder etwas „ ... was jetzt passender war!“
D 2015, 103 min
FSK 12
Verleih: Port-au-Prince
Genre: Drama
Darsteller: Jella Haase, Jannis Niewöhner, Paula Beer, Moritz Leu, Clemens Schick
Regie: Theresa von Eltz
Kinostart: 03.12.15
[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.