Originaltitel: 7 DAYS IN ENTEBBE
USA/GB 2018, 107 min
FSK 12
Verleih: Entertainment One
Genre: Drama, Polit
Darsteller: Daniel Brühl, Rosamund Pike, Eddie Marsan, Lior Ashkenazi, Denis Menochet, Ben Schnetzer
Regie: José Padilha
Kinostart: 03.05.18
Der Kinovorhang geht auf: Auf einer Bühne sitzen etwa zwei Dutzend Tänzer auf Stühlen in einem Halbkreis. Sie tragen dunkle Anzüge, weiße Hemden und schwarze Hüte. Zu einem kraftvollen Rhythmus werfen sie sich in einer wellenförmigen Bewegung nach hinten, ihre weißen Hemden blitzen auf. Einer der Tänzer fällt vom Stuhl. Gleichzeitig erklingt ein hebräisches Lied. Die Energie dieser ausdrucksstarken Performance nimmt die Zuschauer sofort gefangen.
Regisseur José Padilha wählte einen ungewöhnlichen Einstieg in seinen Politthriller 7 TAGE IN ENTEBBE. Es ist gerade diese künstlerisch mutige Verbindung zwischen zwei sehr unterschiedlichen Elementen, moderner Tanz und klassisch inszeniertes Entführungsdrama, die seinen Film über den Genredurchschnitt hinaushebt. Auf der Handlungsebene erzählt Padilha von der Entführung einer Air-France-Maschine im Jahr 1976 durch deutsche und palästinensische Terroristen. Um einsitzende Gesinnungsgenossen freizupressen, zwingen die Entführer die Crew, nach Entebbe in Uganda zu fliegen. Dort werden die Geiseln in einem alten Flughafenterminal untergebracht. Während die israelischen Geiseln in Gefangenschaft bleiben, werden die anderer Nationen nach und nach freigelassen.
Diese reale Geschichte wurde bereits mehrfach verfilmt, doch trotz ihres bekannten Ausgangs verweilt man während des ganzen Films in Hochspannung. Klugerweise setzt der Filmemacher nicht primär auf Action, sondern auf ein ausgefeiltes Figurenensemble und die komplexen politischen Hintergründe des Geschehens. Es ist heiß und schmutzig in Entebbe, die Nerven auf beiden Seiten liegen bald blank. Zumal Israels Maxime lautet, grundsätzlich nicht mit Terroristen zu verhandeln. Dem Entführer Wilfried Böse, einem Mitbegründer der Revolutionären Zellen, kommen allmählich Zweifel an seinem Tun: Deutsche selektieren Juden. Ihm ist bewußt, welche fatalen Assoziationen das auslöst. Doch vor den Anderen flüchtet er sich weiterhin in linke Phrasendrescherei. Ein Nazi will er nicht sein, die Nazis sind immer die Anderen. Seine Kumpanin Brigitte Kuhlmann gibt sich da weit abgebrühter.
In einer Parallelhandlung sieht man die israelische Regierung verzweifelt mit der verfahrenen Situation ringen. Premierminister Jitzchak Rabin hat Skrupel, die risikoreiche Befreiung der Geiseln durch israelische Spezialeinheiten anzuordnen. Hingegen favorisiert Verteidigungsminister Schimon Peres eine militärische Lösung. Ein packendes Duell der beiden politischen Konkurrenten entspinnt sich. Ein dritter Erzählstrang begleitet einen jungen Soldaten aus Israel. Wegen seines Einsatzes in Entebbe kann er nicht zur Premiere des Tanzstückes seiner Freundin kommen. Hier schließt sich der Kreis zur eingangs erwähnten Performance. Sie stammt vom großen israelischen Choreographen Ohad Naharin. Während des atemberaubenden Showdowns werden die Szenen der Geiselbefreiung mit denen der Tanzdarbietung zusammengeschnitten. Diese Kombination ist pures Adrenalin.
Rabin sagt im Film mehrmals: „Wir werden verhandeln müssen, wenn wir Frieden haben wollen.“ Er wurde 1995 ermordet, weil er einen Friedensvertrag mit den Palästinensern aushandeln wollte. Angesichts der aktuellen Eskalation scheint ein Ende des Krieges ferner denn je. Einen Hoffnungsschimmer bietet die Kunst, ist sie doch in der Lage, Menschen jenseits politischer Schranken zu berühren.
[ Dörthe Gromes ]