Österreich 2017, 70 min
Verleih: déjà-vu
Genre: Experimentalfilm
Darsteller: Florian Nolden, Doris Hess, Stefan Ried
Regie: Laura Nasmyth, Philip Leitner
Kinostart: 02.08.18
Faszinierende Sache mit der Raumzeitkrümmung … man weiß ja, wie sie funktioniert. Zumindest rein theoretisch, an der Oberfläche. Aber ist schon ein Ding, mit der Krümmung von Raum und Zeit etwa die Gravitation zu erklären. Und auch, wie die Massen, die diese Krümmung und Gravitation bewirken, die Zeit dehnen und – wie hier, in diesem Film, um den es tatsächlich gerade geht – diese Dehnung gleichsam in einen ewigen Kreislauf zwingen. So wie Uhren, deren Zeiger im Kreis rotieren, und das ja völlig unabhängig von Gravitationsfeldern. Zeit ist im wesentlichen, was die Uhr mißt – nur beginnt die ihre Messung immer wieder bei null. Der Nullpunkt ist Anfang und Ziel, hebt somit also Dinge wie „Anfang“ oder „Ziel“ auf. Existenz: ein einziger Nullpunkt.
Um den und in dem kreist in Laura Nasmyths und Philip Leitners Experimentalfilm 8:30 jener Handelsvertreter, der nach einem vergeblichen Streifzug durch die ordentlich strukturierte Leblosigkeit einer Neubaureihenhaus-Vorstadt feststellen muß, daß der Zug, der Filmtitel verweist auf dessen Abfahrtszeit, der ihn aus dieser Tristesse wegbringen soll, wieder und wieder in dieser Tristesse hält. In die dieser Mann dann allerdings ganz gut paßt. Ein Niemand im Nichts. Ein Untoter am ewigen Nullpunkt. Einmal etwa setzt der sich in die Ecke eines Möbelcenters und imitiert in dieser einen Traum vom „wirklichen Leben“: in einer improvisierten Bürosimulation, mit einem Bewerbungsgespräch per Skype. Nur, daß bei diesem Gespräch kein Gegenüber existiert, so wie auch diese Menschen, die hier allenthalben auf Bildschirmen flimmern, kaum mehr als Masken, als medial-digitale Lebenssimulationen scheinen.
Untote am Unort. Kapitalismus und Quantenwelt und die Gravitationskraft innerer Leere. Und immer wieder mal Menschen, die in schmucklosen Interieurs zweckmäßigen Lebens in die Kamera sprechen. Über den Ex oder Filmhandlungen, die wie Prothesen für fehlende Lebenserinnerungen klingen. Und über allem die stille, aseptische und zeitlich akkurat knapp bemessene Akkuratesse dieses Films.
Oder besser dieses Unfilms, der über die Implosionen des Menschlichen in der Warenwelt, über die ewige Wiederkehr des Nichts weniger „erzählt“, als es in Szene, in gekonnt distanziert komponierte Bilder, setzt. Damit auch zeigend, daß Leere von einiger ästhetischer Suggestionskraft, in der Kunst der Nullpunkt, hypnotisch sein kann.
[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.