Maria fliegt alles um die Ohren: ihr Glück, ihre Familie, ihr Land. Selten beschrieben ein Wort und zugleich ein Filmtitel diesen Zustand genauer. A BLAST ist die messerscharfe Blende in eine Erschütterung, eine der allegorischen und tatsächlichen Art. Konsequenterweise kann das Ende nur offen sein.
Maria ist Leidenschaft pur. Muß leben wie unter Strom, körperlich und innig lieben, als gäbe es kein Morgen. Selten sind die Momente der Ruhe, die sie sich gönnt, selbst dabei flackert und rattert es unsichtbar in ihren Augen und hinter ihrer Stirn. Sie fährt nicht Auto, sie rast. Durch die Scheiben sind Flammen zu sehen. Schnell wird klar, daß Regisseur Syllas Tzoumerkas am Linearen und Klaren von Marias Geschichte nicht interessiert ist. Über Fragmente, Skizzen und Ahnungen springt er wild und unberechenbar durch zehn Lebensjahre seiner Heldin, zeigt sie kurz vor ihrem 20. und verabschiedet sie ins Ungewisse, als sie knapp über 30 ist, Mutter von drei Kindern, die sie gerade an ihre Schwester abgegeben hat. Eine Kurzschlußhandlung mit Langzeitwirkung? Auch hier ist die einzige Antwort: vielleicht …
Wer auserzähltes Kino mag und Antworten auf ungestellte Fragen braucht, ist in dieser zeitgenössischen griechischen Tragödie fehlbesetzt. Wer den Puls am persönlichen Chaos fühlen will, hochgerechnet zur gesellschaftlichen Dimension, der wird dieses furiose, nicht einmal eineinhalbstündige Werk kaum vergessen. Nicht diese atemlose und atemlos machende Angeliki Papoulia als Maria in einer – formal – ziemlich heillos wirkenden Handlung. Als Schwester und Tochter in einer Familie, als Geliebte und Ehefrau von Yannis, einem schönen Seemann, als Getriebene, die herausbekommt, daß der Laden ihrer Eltern eine Steuerschuld von über 100.000 Euro angehäuft hat. Just in jener Zeit, da Griechenland sich dazu entschlossen hat, sich die Steuern von ausgewählten Bürgern zurückzuholen. Maria übernimmt die Last einer wie auch immer gearteten Tilgung, dabei scheinen jede Mittel recht. Doch ihr drängender Aktionismus legt nach und nach eine Wut an den Tag, die zunächst ihr Heiliges und dann sie selbst zu pulverisieren beginnt.
A BLAST trägt viele Filme in sich. Man kann sich durchaus in nur angedeuteten und wie beiläufig verwebten Sub-Themen verheddern, im großen, sehr wohl unfertigen Bild eines brisanten Zeit-Porträts aber ist man von außen mittendrin.
Originaltitel: A BLAST
Griechenland/D/NL 2014, 83 min
FSK 12
Verleih: Real Fiction
Genre: Experimentalfilm, Drama
Darsteller: Angeliki Papoulia, Vassillis Doganis, Maria Filini
Regie: Syllas Tzoumerkas
Kinostart: 16.04.15
[ Andreas Körner ]