Originaltitel: GHAHREMAN
Iran/F 2021, 128 min
FSK 12
Verleih: Neue Visionen
Genre: Drama
Darsteller: Amir Jadidi, Mohsen Tanabandeh, Fereshteh Sadre Orafaiy, Sarina Farhadi
Regie: Asghar Farhadi
Kinostart: 31.03.22
Man ertappt sich bei einer gewissen Grundfreude, wird ein neues Werk des iranischen Regisseurs Asghar Farhadi angekündigt. Seit NADER UND SIMIN von 2011 ist es so, mit LE PASSÈ zwei Jahre später bekam es feinen Schwung, bei OFFENES GEHEIMNIS 2018 stellten sich vorläufig Schrammen ein, die allerdings, wie sich jetzt zeigen soll, zu keinen Dauerschäden geführt haben. Denn Farhadis neues Drama, wieder in der Heimat entstanden, zeigt ihn gestärkt.
Rahim Soltani hat Freigang, um Dinge zu klären. Draußen ist er Kalligraph und Maler, im Gefängnis sitzt er wegen Geld, das er nicht zurückzahlen kann, Schulden nach einem mißglückten Geschäft in einer für iranische Normalbürger üppigen Höhe. Rahim ist ein ruhiger Mann mit mildem Lächeln, lebt im antiken Shiraz, das nicht so trubelt wie Teheran. Schnell werden in A HERO auch die Beziehungsgeflechte Rahims betont. Sein 10jähriger Sohn lebt bei Schwester und Schwager im Haushalt, eine Scheidung liegt hinter, eine neue feste Beziehung vor Rahim. Doch zunächst muß das Ding mit dem Geld aus der Welt.
Eine Frauenhandtasche mit Goldmünzen am Straßenrand, die Freundin Farkhondeh fand, soll Teil der Lösung werden, doch sie wird Teil des Problems. Der Taschenrechner des Juweliers ist defekt, dessen Stift schreibt nicht, und der Goldkurs ist gerade mies – Rahims überraschende Entscheidung, das Gold doch nicht zu Geld zu machen, resultiert aus dieser Gemengelage. Oder dann doch von seinem Gewissen, seiner hohen Moral, Mitleid mit der Frau, die die Tasche verlor? Am Alltagsheldischen, das die Öffentlichkeit ihm nun zuschreibt, bis sie es ihm schmerzhaft wieder entzieht?
Wie Asghar Farhadi mit Fragen dieser Art ohne Eindeutigkeit im Antworten komponiert, wie er ein zutiefst relevantes menschliches und gesellschaftliches Stück skizziert und konturiert, sich dabei noch jeder Ahnung von Folklore verweigert und so spannend wie schlüssig die Klaviatur zwischen Emotion und Ratio bedient, ist einfach meisterlich. Er nimmt jeden Charakter mit, ohne an eklatanten Brüchen interessiert zu sein. Es geht Farhadi, dem begnadeten Handwerker, ums schwimmende Verlegen von Eindrücken, gerade bei der Hauptfigur. Mal wünscht man Soltani beim Rückholversuch seiner Ehre, daß ihm ja nichts zustoßen solle, dann wieder kommen Zweifel auf. Diese Ambivalenz, die wachhält und knabbert, funktioniert auch als Spiegel.
[ Andreas Körner ]