Benjamin Ferencz ist ein freundlicher Greis. Mit wachen Augen blickt er in die Kamera, ist immer noch erstaunlich eloquent und scharfsinnig. Zudem von einigem trockenen Humor. Darüber hinaus ist er aber noch etwas anderes: ein Mensch, der sehr genau weiß, was der Mensch ist. Was er sein kann. Und vor allem: zu welch’ Unmenschlichkeiten er fähig ist.
27 Jahre jung war Ferencz, als er 1947 zum Chefankläger des im Zuge der Nürnberger Prozesse stattfindenden sogenannten „Einsatzgruppenprozeß“ wurde. Oder, um es im nüchternen Juristenjargon zu sagen: Ferencz war Chefankläger im Prozeß „Die Vereinigten Staaten von Amerika gegen Otto Ohlendorf und andere.“ Ohlendorf nun war wiederum SS-Gruppenführer und Befehlshaber der sogenannten „Einsatzgruppe D.“ Hochintelligent, gutaussehend, erst Rechts- und Staatswissenschaftler, dann Massenmörder. Ein Mensch, den keine Unmenschlichkeit zu begehen schreckte.
Und nein, es ist nicht so, daß A MAN CAN MAKE A DIFFERENCE, auch wenn das dramaturgisch sehr reizvoll wäre, sich diesen beiden Männern ethisch-moralischer Extremkontraste widmen würde: hier Ferencz, dort Ohlendorf. Aber um diese Dimension der Differenz, die hinter diesen Polen schwingt, geht es dennoch. Wie könnte es auch anders sein bei dem Porträt eines Menschen, der sehr genau weiß, was der Mensch sein kann? Benjamin Ferencz wurde 1920 in Siebenbürgen geboren, emigrierte mit den Eltern in die USA und wuchs dort im New Yorker Hells Kitchen, einem der damals gefährlichsten Stadtviertel der Welt auf. Und dennoch, oder gerade deshalb, wurde Ferencz ein Mann, der ganz und gar fixiert ist auf Recht und Gesetz, der Jurist wurde, was in diesem biographischen Kontext so abwegig schicksalshaft wie logisch plausibel scheint. Die Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges, in dem Ferencz als Soldat diente, wie die der Nürnberger Prozesse sollten diese Fixierung auf Recht und Gesetz noch verfestigen.
In A MAN CAN MAKE A DIFFERENCE reflektiert Ferencz an den Stätten seines Lebens und Wirkens selbiges. Dabei wieder und wieder anmahnend, daß der eben auf Recht und Gesetz fußende Statuts des zivilisatorisch-humanen Umgangs ein latent gefährdeter, mithin immer wieder verletzter und nichtsdestotrotz allgemein verbindlicher ist. Deshalb gab es Nürnberg, deshalb gibt es Den Haag. Notwendigkeiten aus einem einfachen Grund: Weil Menschen wie Ohlendorf nie aussterben werden.
Originaltitel: LAW NOT WAR
D/USA/Österreich 2014, 107 min
FSK 12
Verleih: W-Film
Genre: Dokumentation, Biographie, Historie
Regie: Ullabritt Horn
Kinostart: 26.11.15
[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.