Originaltitel: LERD
Iran 2017, 118 min
FSK 12
Verleih: Cosmopol
Genre: Drama
Darsteller: Reza Akhlaghirad, Soudabeh Beizaee
Regie: Mohammad Rasoulof
Kinostart: 02.05.19
36% Zinsen ruft die Bank für gewährte Kredite auf. Man könnte das natürlich einfach Wucher nennen und den Mittelfinger zücken, doch Reza stimmt den Bedingungen zu, kehrt Teheran und seinem früheren Leben den Rücken, geht mit Frau und Kind ins Dorf, will dort Fische züchten, neu beginnen, Gattin Hadis leitet parallel das örtliche Mädchengymnasium. Eine ganze Weile ist das schon her, Genaueres erfahren wir nicht, sehen bloß, daß jetzt unter der Hand krumme Geschäfte laufen sollen, welche Reza ablehnt. Ein schwerwiegender Fehler. Und Beginn praktisch spiralförmiger Erzählung, die immer tiefer ins Verderben führt: Ein ansässiges Unternehmen giert nach Rezas Grundstück, erpreßt, schließt die wasserspendende Schleuse, später treiben alle Fische vergiftet im Teich …
Logisch: Wo vom Polizisten bis zum Bürgermeister quasi jeder Staatsdiener Gehaltsaufbesserungen von korrupten Konzernen bezieht, kämpfen Reza und Hadis allein auf weiter Flur. Man merkt’s ihren Gesichtern an, beide ebenso attraktiv wie versteinert, kaum je zum Anflug eines Lächelns befähigt, gehetzt. Regisseur Mohammad Rasoulof dienen sie bei häufigen Nahaufnahmen als visuelle Ankerpunkte in einem Meer aus gleichermaßen hoffnungsleeren wie atemberaubenden Bildern. Die zunehmende Verzweiflung sieht verdammt gut aus, Rasoulof weiß um Perspektiven, Lichtsetzung, Farben oder deren Fehlen, es hat geradezu etwas Ikonisches, wenn Reza durch schuppige Kadaver watet. Aber Rasoulof ruht sich nicht auf technischem Talent aus.
Er obduziert regelrecht, erst ein vom Filz dick bedecktes Land, dann innerfamiliäre und persönliche Brüche. Hadis unterstützt zwar den Angetrauten, baut auf, teilt feminine Stärke. Augenblicke darauf allerdings gellen Vorwürfe, unschöne Pauschalisierungen. Sie versucht irgendwann, ihre leitende Position für Druckausübung zu ge-/mißbrauchen, ohne zu ahnen, was das heraufbeschwört – Zahn um Zähnchen quasi. Und Reza? Steht vorm Dilemma, dem eigenen Moralbegriff offenen Auges direkt in den Abgrund zu folgen oder ihn zu verraten, die Regeln des schmierigen Spiels zu akzeptieren.
Rasoulof zeigt Mitgefühl; erlösende, gar versöhnliche Wärme darf man seinerseits indes keine erwarten. Konsequent knirscht am atemlosen Ende die nun bis zum Anschlag gedrehte Daumenschraube auf blankem Knochen: Ein Drama ist ein Thriller ist eine Tragödie.
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...