Originaltitel: TIAN ZHU DING

China/J 2013, 130 min
FSK 16
Verleih: REM

Genre: Drama, Episodenfilm, Thriller

Darsteller: Zhao Tao, Jiang Wu, Wang Baoquiang, Luo Lanshan, Meng Li

Stab:
Regie: Jia Zhangke
Drehbuch: Jia Zhangke

Kinostart: 16.01.14

1 Bewertung

A Touch Of Sin

Entzauberung des Idylls

Klischeemäßig hat China einige Kostbarkeiten zu bieten: sicherlich exotische Speisen, vielleicht prunkvolle Tempel, wahrscheinlich höfliche Einwohner, natürlich die Drachen. Kurz geschwelgt, dann weiter, hin zu einem düsteren Bild, gezeichnet von Regisseur Jia Zhangke in seinem Drama aus vier lose verknüpften Episoden.

Gleich zu Anfang wird ein Wanderarbeiter von jugendlichen Kriminellen überfallen, wenig später liegen diese als Leichen am Rand der einsamen Straße. Auftakt für Teil 1: Hier prangert Minenarbeiter Dahai die Ungerechtigkeit des Systems an, entlarvt Korruption und Ausbeutung. Niemand hört seine Klage, eine gerichtliche Vorladung scheitert an der Bürokratie des Postamts. Dahai startet einen blutigen Amoklauf.

Übergang zu Segment 2: Erwähnter Wanderarbeiter hat sich von der Familie entfremdet. Um an Geld zu kommen, tötet er kaltblütig ein wohlhabendes Paar. In Part 3 wird Sauna-Rezeptionistin Xiao Yu erst vom Geliebten brüskiert und später zum Opfer sexueller Übergriffe – die Situation eskaliert. Und schließlich flüchtet ein Arbeiter, welcher am Unfall eines Kollegen die Schuld tragen soll, vor der Strafe und verliebt sich unglücklich. Er zieht die vermeintlich logische Konsequenz.

Zhangke wischt da jede Folklore nachdrücklich vom Schneidetisch, inszeniert einen Moloch aus wirtschaftlichen Mißständen sowie zwischenmenschlichen Abgründen. Widerstand dient in diesem zerfressenen Land allein als Vorlage, ihn niederzuknüppeln, Gewalt birgt den einzigen Weg, die eigene Würde zu bewahren, selbst auf Kosten Unschuldiger. Doch nach urgewaltigem Einstieg inklusive magenumdrehender Szenen haucht die Tragik zusehends ihre Kraft aus. Dann schleicht eben trotzdem stückhaftes Lokalkolorit herbei, verweht das Drama teilweise in augenrollendem Schauspiel. Starke Neigung zur Parabel übernimmt das Zepter, Überdeutlichkeiten mindern die anfängliche Schraub-stockerzählung, Redundanzen tappen durch manche Länge.

Dazu weicht die aufrüttelnd dissonante Orchestrierung einem Klangteppich aus melancholischen Weisen – deutlich zuschauerfreundlicher, doch er schluckt gleichzeitig den einstigen Hall wuchtiger Schritte auf kaltem cineastischen Steinboden. Irgendwie symptomatisch für die über vier Etappen erfolgende Entwicklung der ganzen Horrorvision, welcher es nicht an Willen fehlt, sondern adäquat zwingender Umsetzung.

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...