Eine unglaubliche Geschichte. Eine, über die man sagt, das wäre der Stoff für einen tollen Film. Und nach wie vor webt solche Stoffe ja am besten immer noch das Leben selbst.
Norbert Witte hatte immer schon große Pläne. Oder soll man sagen große Träume? Wie dem auch sei: Einer dieser Pläne (Träume) war, aus dem Brachland des Berliner Spreepark (zu DDR-Zeiten noch unter dem Namen „Plänterwald“ bekannt) den größten Rummelplatz des frisch vereinten Deutschland zu machen. Und Witte, ein alter Fuchs, der sich gern als „König der Karusselle“ bezeichnete, dieser Witte, Schausteller von Geburt an, aufgewachsen auf den Rummelplätzen Deutschlands, wo er erste Erfahrungen in der Losbude seines Vaters sammelte, pokert hoch dabei, seinen Plan (seinen Traum) in die Realität umzusetzen. Doch Witte geht mit großem Trara pleite. Der König der Karusselle stürzt vom Thron und flieht 2002, der Stadt Berlin einen Riesenberg Schulden hinterlassend, mit seiner Familie ins Exil. Nach Peru, das nicht ausliefert und wo Witte einen Neuanfang wagt, der nicht nur im endgültigen Desaster, sondern in einer Tragödie endet: Zwecks Geldbeschaffung verwickelt Witte sich und seinen 20jährigen Sohn Marcel in ein großangelegtes Drogengeschäft. Beide landen im Knast. Norbert Witte – sein Glück im Unglück – für sieben Jahre in Deutschland. Die große Rechnung indes zahlt Marcel. Sein Strafmaß: 20 Jahre. Abzusitzen in einem peruanischen Gefängnis. Einem der härtesten der Welt.
Was für ein Stoff! Was für ein Leben! Alle Pläne gescheitert, alle Träume nicht nur geplatzt, sondern zu Alpträumen geronnen. Dabei war dieser Norbert Witte einer, dem das Glück hold war. Und auch heute, wenn er mit so unendlich müden Augen vor der Kamera steht, irrlichtert da immer noch der Habitus eines Mannes, der das Leben zu nehmen wußte.
ACHTERBAHN von Peter Dörfler ist der Glücks-, der Idealfall einer Doku. Ein aufregender Stoff und eine unglaubliche Biographie, erzählt in einer geschickten dramaturgischen Klammer und mit Bildern, die einfach ins Kino gehören. Anhand einer Reise von Wittes Ex-Frau und ihrer gemeinsamen Tochter nach Peru (ein Revisionsverfahren macht Hoffnung auf eine Überstellung Marcels nach Deutschland) wird in Rückblenden vom Menschen und vom Fall Norbert Witte gleichermaßen berichtet.
Das alles verzahnt Peter Dörfler äußerst geschickt zu einer auch trotz ihres angemessen distanzierten Untertons anrührenden Doku über eine Tragikomödie, die so tatsächlich nur das Leben schreiben kann.
D 2009, 88 min
Verleih: Rohfilm
Genre: Dokumentation
Regie: Peter Dörfler
Kinostart: 02.07.09
[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.