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Adieu Paris

Ein Abschied mit Süßungsmitteln

Es geht so schnell: Ein Autounfall verändert das Leben Patrizias, erfolgreiche Autorin, sonst jedoch recht ziellos, grundlegend. Ihr Freund Jean-Jacques liegt hirngeschädigt im Koma, Aufwachen nahezu ausgeschlossen. Am Krankenbett trifft Patrizia auf Françoise, die Gattin ihres Geliebten und Teil einer „offenen Ehe“ – aus dem anfänglichen Emotions-Duell entwickelt sich Verbundenheit. Außerdem gibt es noch Frank, den betrogenen Geschäftsmann, dessen Karriere, Familie, eben alles am Rande des Abgrunds stehen.

Drei Menschen, drei Leben. Viele neuerliche Zusammentreffen. Eine komplexe Bestandsaufnahme zwischenmenschlicher Beziehungen, ein Puzzle aus Loslassen, Neuanfangen, Selbstfinden. Zumindest theoretisch. Praktisch fühlt sich Jessica Schwarz zwar vom Zusammenspiel mit ihrer französischen Kollegin Sandrine Bonnaire offensichtlich darstellerisch motiviert, die Pariser Impressionen sind sinnschmeichelnd eingebunden, und das Drehbuch überrascht zwischendrin immer wieder mit unerwarteten Lebensweisheiten – manchmal poetischen Tons, dann fast schon fies hintergründig. Und dennoch ...

Irgendwie kann man sich des Eindrucks kaum erwehren, daß Regisseurin Franziska Buch den Zuschauer schonen möchte. Eltern kennen es: Heilsamen, aber grauenhaft schmeckenden Hustensaft verabreicht man dem Nachwuchs am besten auf einem Stück Würfelzucker. Nun wissen wir nichts über Frau Buchs Familienverhältnisse, sie muß sich jenen Trick allerdings entschlossen zu Herzen genommen haben. Über allem schwebt ein dicker Schimmer aus teils unrealistischer Hoffnung, Konflikte lösen sich häufig magisch schnell, das Themengeflecht fächert sich bis zum am Ende unnötigen Erklären breit auf, vernachlässigt beim Anreißen jedoch die Tiefenausrichtung. Selbst höchst interessante Ansätze, wie Patrizias Rückzug angesichts der Entscheidung, Jean-Jacques sterben zu lassen, schöpfen so das theoretisch mögliche Potential bloß bis zum vermeintlich zumutbaren Punkt X aus.

Tatsächlich scheint es, als würde Buch die bittere Pille ihrer Vision zwecks leichterer Schluckbarkeit von süßem Guß umhüllt servieren. Wer bereit ist, diesen inklusive einiger Längen abzukratzen, wird gleichwohl belohnt, denn ungeachtet der obigen Mäkelei mal in Relation gesetzt: Für deutsche Drama-Verhältnisse bewegt sich das Gebotene trotzdem im oberen Bereich der Wertungsskala.

D/F 2013, 101 min
FSK 6
Verleih: Farbfilm

Genre: Drama, Schicksal

Darsteller: Jessica Schwarz, Hans-Werner Meyer, Sandrine Bonnaire, Gerard Jugnot, Thure Lindhardt

Regie: Franziska Buch

Kinostart: 11.07.13

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...