D 2018, 90 min
FSK 0
Verleih: Zorro

Genre: Dokumentation, Polit

Regie: Marie Wilke

Kinostart: 29.11.18

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Aggregat

Kleinarbeit und Purismus

Ein Satz klingt so: „Demokratie heißt, alle bestimmen mit.“ Ein anderer, im schönsten erzgebirgischen Idiom, so: „Der kleine Mann will’s verstehen, oder eine kleine Frau, wie ich.“ Der erste Satz fällt während einer Führung im Reichstag. Der zweite in einer Diskussionsrunde auf einem Bürgerforum. Zwischen beiden Polen spannt die Dokumentation AGGREGAT ihre Beobachtungen. Beobachtungen dessen, wie im alltäglichen Kleinklein Demokratie geht. Was weniger meint, ob und auf welchem Qualitätslevel sie funktioniert, sondern, wie sie an den einzelnen Funktionsstellen – und zwar denen an der Basis – arbeitet. Denn auch das zeigt AGGREGAT: daß Demokratie Arbeit ist. Und nicht immer die aufregendste.

„Gedreht an“, wie es im Vorspann heißt, „verschiedenen Orten in Deutschland 2016/2017“, reiht Marie Wilkes Dokumentarfilm nüchternste Impressionen, montiert unaufgeregt eine schmucklose und unkommentierte Abfolge von Bildern und Momentaufnahmen. Zu Beginn wird zur Führung im Reichstag dem interessierten Publikum das Abstimmungsprozedere anhand der Verabschiedung eines „Bundesbutterstollengesetzes“ vorgeführt. Man ist gut aufgelegt, der Tonfall durchaus selbstironisch, und es gibt zum Abschied als „wunderbares Souvenir“ einen „staatstragenden Kugelschreiber.“

Später beobachtet die Kamera ein Argumentations-Coaching. Wie reagieren auf einen Satz à la „Wir können ja nicht die ganze Welt aufnehmen“, ist die Frage. Noch einmal später wird der republikanische Geist beschworen oder das Kleingartengesetz als exemplarisch für deutschen Gemeinschaftssinn und – noch einmal später – pikanterweise der MDR von Frauke Petry, damals noch AfD, gelobt.

Aber nichts davon gerät in AGGREGAT dabei in den Aggregatszustand einer Wertung, gar Polemik. Es geht nicht um den Blickwinkel einer zu forcierenden Meinung. Gezeigt werden vielmehr demokratische Kleinarbeit und deren Alltag. Und das eben ganz nüchtern, mit statischen Kameraeinstellungen und langen Schwarzbildern zwischen den einzelnen Beobachtungen.

Ob all dem mag man sich beim Anschauen von AGGREGAT gut und gern fragen, ob dieser forcierte Purismus, mit dem hier eine aufklärerische Lanze für den Parlamentarismus gebrochen werden soll, sich überhaupt für eine Kinoauswertung anbietet. Allein aber in Anbetracht einer Gegenwart, die ist, wie sie ist, mag die Antwort klar sein.

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.