Nicht gerade der Inbegriff schönen Wohnens. Die 16-jährige Sabine irrt durch die Berliner Neubausiedlung, in die ihr Vater nach der Scheidung gezogen ist. Sie hält es bei ihrer Mutter nicht mehr aus. Der erste, der Sabine über den Weg läuft, ist der stupsnäsige Eddi, der ihr den Weg zur Andy-Warhol-Straße zeigt. An ihrem ersten Schultag lernt sie die anderen aus Eddis Clique kennen: den gutmütigen, dicken Stefan, den kleinen Florian und Coco. Deren Freund Micha ist Eddis Kumpel und ein tougher Brocken. Gerade mal wieder auf Bewährung draußen, rutscht er gleich in die nächste Scheiße rein. Eine Streiterei gerät zum schicksalhaften Mord: Eddi sticht einfach zu, um Micha zu helfen. Aus lauter Panik rennen alle weg, und Micha läuft mit dem blutigen Messer Sabine über den Weg. Sabine entdeckt die Leiche, als sie ein paar Schritte weitergeht. Micha übt Druck auf Eddi aus, da er mitgekriegt hat, daß er und Sabine sich angefreundet haben. Er will rauskriegen, wieviel sie wirklich weiß. Die Bullen verdächtigen ihn ohnehin schon wieder...
Ohne Weichzeichner und mit viel Einfühlungsvermögen hat Esther Gronenborn einen der realistischsten und ehrlichsten Filme des deutschen Kinos gedreht. Fernab romantisierender Ghetto-Klischees begleitet sie die Jugendlichen in ihrem eng gesteckten Biotop: zwischen Cliquenlangeweile vor dem Supermarkt, Wohnzellen-Tristesse und illegalen Bluthundekämpfen. Die Freundschaft zwischen dem introvertierten Eddi und der selbstbewußten Sabine gedeiht als zarte Blüte auf hoffnungsarmem Boden, ist Rettungsanker und Licht im Dunkel. Gronenborn war gut beraten, neue unverbrauchte Gesichter zu casten. Ohne deplazierte Eitelkeit, mit offenem Geist und berückender Aufrichtigkeit glückt den Jungdarstellern etwas, was im deutschen Kino zur Rarität verkommen ist: nackte Authentizität.
So erschütternd dieser Film in seiner unverfälschten Trostlosigkeit auch ist: er vermag mit richtigen Charakteren, glaubwürdigen Schicksalen und optischer Kraft nachhaltig zu beeindrucken. Es geht eben nicht um schwanzfixierte Pickelbubis, um alte Damen auf Bankraubzug oder dauerkoksende End-Dreißiger im hippen Club-Ambiente. Es geht um Probleme von echten Menschen. Endlich wieder!
D 2000, 86 min
Verleih: Arthaus/Filmverlag der Autoren
Genre: Drama, Teenie
Darsteller: Jana Pallaske, Frank Droese,Toni Blume, Willhelm Benner
Regie: Esther Gronenborn
Kinostart: 25.01.01
[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.