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Alles auf Zucker!

Mischpoken-Chaos mit Witz und Wowi

Berliner sind großmäulig, Krankenpfleger schwul, Russen bei der Mafia und Familientreffen immer Weltkriege in Wohnzimmergröße, Juden lieben Geld und Ossis das Gefühl, beschissen worden zu sein. Dani Levy hat die Oase der Klischees für seinen Film lustvoll abgegrast, verdaut und gerülpst. Jetzt aber bloß nicht bei Knigge nachschlagen! Wir nennen das frischen, besser: frechen Wind. Und der bläst Jacky von vorn ins Gesicht. Eine Nachbarin zeigt Mitleid: "Imma Pech jehabt seit der Wende, und jetzt soller ooch noch Jude sein."

Jacky Zucker, eigentlich Jakob Zuckermann, leidenschaftlicher Spieler, sozialistisch sozialisiert, als Bordell-Buchhalter eine glatte Fehlbesetzung, steht mit dem Gerichtsvollzieher auf Du und Du, während Gattin Marlene am liebsten wieder zum Sie übergehen würde. Mit dem anstehenden, hochdotierten Billard-Turnier soll alles besser werden. Doch auf Unglück folgt manchmal Pech. Der orthodoxe Bruder kommt samt Anhang aus Hessen, um der verstorbenen Mutter den letzten Willen zu erfüllen: Sieben Tage gottgefällige Familientrauer mit anschließender Versöhnung, sonst gibt’s kein Erbe. Aber Jakob muß eigentlich Billard spielen ...

Aus dieser irren Konstellation entwickelt Levy eine manchmal überdrehte Mischpoken-Komödie mit gespieltem Herzanfall, LSD-Trip, einer bezaubernden Palästinenserin, Gott, Marx, Thora, Torheit und Dialogwitz, die trotz einiger Schlaglöcher in der Geschichte wunderbar zügig unterwegs ist. Und mit Klaus Wowereits Auftritt beim Billard-Turnier mag die Diskussion um den Party-Bürgermeister fröhlich weitergehen.

Daß dieses Familienchaos eigentlich fürs Fernsehen gedacht war, merkt man selten. Die Schauspieler jedenfalls - Henry Hübchen als noch im Koma berlinernder Schlemihl, Udo Samel als grantelndes Bruderherz - sind ganz großes Kino. Schließlich absolviert Hannelore Elsner als Jakobs Angetraute einen aberwitzigen Schnellkurs in Sachen koschere Lebensweise samt entwaffnender Erkenntnis: "Ihr Juden habt zu viele Gebote. Da ist kein Platz zum Improvisieren."

Daß der Regisseur sich den Segen von Paul Spiegel geben ließ, war brav aber absolut unnötig. Denn sein unterhaltsamer Kulturgipfel ist vielleicht nicht ganz koscher und nicht immer feinsinnig, aber ganz schön knorke.

D 2004, 90 min
Verleih: X Verleih

Genre: Komödie

Darsteller: Henry Hübchen, Hannelore Elsner, Udo Samel, Anja Franke, Rolf Hoppe, Renate Krößner, Steffen Groth

Stab:
Regie: Dani Levy
Drehbuch: Dani Levy, Holger Franke

Kinostart: 06.01.05

[ Sylvia Görke ]