Originaltitel: HORS NORMES

F 2019, 113 min
FSK 6
Verleih: Prokino

Genre: Drama

Darsteller: Vincent Cassel, Reda Kateb, Hélène Vincent, Bryan Mialoundama, Alban Ivanov

Regie: Olivier Nakache, Éric Toledano

Kinostart: 05.12.19

2 Bewertungen

Alles außer gewöhnlich

Aus dem Herzen überhöht

Um jetzt vorab mal einen Irrglauben zu korrigieren: Autismus ist keine Krankheit. Spritze hier, Pille dort? Klappt nicht. Therapie ja, „Heilung“ nein. Das leitet direkt zum hiesigen Herzensprojekt der ZIEMLICH BESTE FREUNDE-Regisseure Éric Toledano und Olivier Nakache, in dem sie wirklich schwere Ausprägungen der Störung verhandeln – und die bittere Crux herausschälen: Je akuter ein Betroffener der Hilfe bedarf, desto wahrscheinlicher wird er nur zwischen überforderten Einrichtungen hin- und hergeschoben. Stellt sich bloß das französische Gesundheitssystem derart schwach auf?

Ohne Antwort zurück zum tatsachenbasierten Film, welcher Bruno und Malik begleitet, zwei Kumpel, im Alleingang gegen obige Windmühlen anrennend. 24/7 bleibt das Handy eingeschaltet und klingelt ununterbrochen, wenn wieder was passiert, als chancenlose Fälle abgestempelte Autisten, häufig Jugendliche, Halt benötigen. Gerade Bruno opfert glühendem Idealismus jegliches Privatleben, kämpft parallel gegen drohende Schließung seiner Organisation, statt Unterstützung bekommt er zusätzlich externe Knüppel auf den Rücken gedroschen – ein richtig schlechter, unlustiger Witz.

Wohl ein Grund, wieso Toledano/Nakache diesmal nahezu komplett auf Humor ihrerseits verzichten, sich dem Sujet mit großem Ernst nähern. Man muß verbessern: zu großem. Vom beengten Büroloch bis zum geplatzten Date reicht die gut gemeinte Palette, stille Helden zu stilisieren – aber wir hatten doch bereits vorher verstanden. Und dazu bemerkt, daß sich die Gefühlslage trotz des aufgeladenen Themas recht kühl zeigt, fast dokumentarisch anmutende Nüchternheit ersetzt vielerorts pulsierende Emotionen. Allerdings birgt jenes Mäßigen einen entscheidenden Vorteil, erlaubt manchmal ungewöhnlich objektive Blicke, tackert Ämtern nicht völlig pauschal monströse Feindbilder an, läßt deutlich kritische Ärztekommentare zu. Es schimmert Hoffnung …

Und obgleich beide Duos filmisch übers Ziel hinausschießen, geht das menschlich klar, weil der noch zu bewältigende Weg eben keinen einfachen Endpunkt kennt, und Vincent Cassels Bruno auf mehrerlei Ebenen eine echte Wucht ist. Ihm steht das „Machen!“ ins Gesicht gebrannt, er glüht von innen, eine Galionsfigur, den zerbrechlichen, schon angeschlagenen Segelkahn durch schlimmste Stürme navigierend. Solche Typen brauchen wir dringend, auf und abseits der Leinwand.

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...