Originaltitel: TOUT S’EST BIEN PASSÉ
F 2021, 109 min
FSK 12
Verleih: Wild Bunch
Genre: Drama
Darsteller: Sophie Marceau, Géraldine Pailhas, André Dussollier, Charlotte Rampling
Regie: François Ozon
Kinostart: 14.04.22
François Ozon war definitiv als schwuler Teenager in Sophie Marceau verschossen. Wie es wohl alle Jungs waren, sexuelle Neigung spielte da echt keine Rolle. Marceau als 13jährige Vic war in LA BOUM ein einziges Versprechen, der zelluloide Unschuldstraum all jener, die schon pubertäre Begehrlichkeiten spürten und eben auch derer, die ohnehin nicht zum Zuge kamen oder von Natur aus auch nicht mußten. Selten lagen Reinheit und Versuchung so nah beieinander wie in diesem immergültigen Film.
Bei ALLES IST GUT GEGANGEN ist deutlich zu sehen, daß es diese Schwärmerei Ozons gegeben haben muß, denn wie er La Marceau durch das Auge der Kamera anschaut … noch immer ein einziger Flirt! Und Hand aufs Herz, die Schauspielerin drängte sich einem bisher nicht auf, wenn es um Brillanz im eher dramatischen Fach ging. Doch Ozon glaubte mit einem tollen Spürsinn an seinen Jugendschwarm, und Marceau machte daraus ihre bisher beste Leistung. Sie ist schlicht atemberaubend! Daß es auch noch immer eine reine Freude ist, sie einfach nur anzusehen, sei nicht verschwiegen.
Ein Anruf und das Leben ist ein anderes. Der Vater hatte einen Schlaganfall, Emmanuèle und ihre Schwester eilen in die Klinik. Und auch wenn der Griesgram durch das Leid körperlich eingeschränkt ist, der dominante Wille überdauert: So kann er nicht leben, so will er nicht leben, so wird er nicht leben. Er fordert von Emmanuèle, ihn in seinem Wunsch nach einem würdevollen Ende zu unterstützen.
Ozon ist nicht dafür bekannt, zu verschwenderisch mit Gefühligkeiten zu sein, was dem Film enorm zuträglich ist, alle Empathie entsteht aus den Figuren, ihren Zweifeln, ihrer Courage. Emmanuèle hätte guten Grund, den Vater seinem Schicksal zu überlassen, er war in ihrer Kindheit, wie man so sagt, nicht immer ein Guter, aber immerhin war er noch da, als die Mutter längst im Nebel ihrer Krankheit verschwand.
Gekonnt verflicht Ozon in dieser menschlichen und berührenden Geschichte auch kantige Fragen: Wie verpflichtend muß Liebe eigentlich sein? Und lieben Kinder die Eltern nicht manchmal gar über Gebühr? Diese Ambivalenz spiegelt sich in den von Sophie Marceau und auch Géraldine Pailhas formidabel gespielten Schwestern wider, ihre Entscheidung, die Würde des Vaters unantastbar zu halten, speist sich aus dessen dringlicher Ruppigkeit und der Traurigkeit in seinen Augen. Die familiär empfundene Liebe zur teils schwer zugänglichen Musik Brahms paßt da nur zu gut.
Ozon verschweigt übrigens nicht, daß das Wahren der Würde oft nur ein Privileg wirtschaftlich gutsituierter Menschen ist. Als der Vater Emmanuèle fragt, was denn die armen Menschen machen, die mehrere Tausend Euro für die Erlösung in der Schweiz eben nicht aufbringen können, ist deren nüchterne Antwort: „Sie warten auf den Tod!“
[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.