Leni möchte ihrer Familie ihren Verlobten Rafi vorstellen. Aufgeregt sehen beide dem bevorstehenden ersten Treffen entgegen, welches an sich ein harmloses Unterfangen wäre. Schweißtreibend - vor allem für Rafi, der noch im Fahrstuhl schnell sein Hemd wechselt - ist die Tatsache, daß Leni Jüdin ist und er Palästinenser. Die Wahrheit muß ans Licht, und es kommt wie erwartet: Die Neuigkeit der beiden stößt auf wenig Begeisterung. Erschwerend ist der Umstand, daß sich Lenis Familie als ein Haufen Exzentriker entpuppt. Lenis Mutter, die sich als Märtyrerin der Familie in Szene setzt, vermutet sofort Böses, der jüngere Bruder nervt mit einer pubertären Phase und mimt den orthodoxen Juden, der blinde Großvater fuchtelt mit einem Gewehr herum, und die alleinerziehende Schwester setzt alles daran, das allzu perfekte Gebaren Lenis zu entlarven. Zu allem Überfluß passiert Rafi ein Mißgeschick. Ein Block gefrorener Suppe entgleitet ihm, fällt aus dem Fenster und trifft einen vorübergehenden Passanten. Bald ahnt er, daß es sich bei dem vermutlich Erschlagenen um das noch fehlende Familienoberhaupt handelt É
Teresa de Pelegri und Dominic Harari, selbst aus verschiedenen Kulturen kommend, führen anhand beißender Situationskomik Beziehungskonflikte ad absurdum, die sie kennen. Kontrastreich zeichnen sie die unterschiedlichen Charaktere der Familie Dalinsky und machen gleichzeitig deutlich, daß diese trotz der Spannungen und Extreme zusammen gehören. Inszeniert ist das Ganze in der zeitlichen und räumlichen Begrenzung eines Kammerspiels und gefilmt mit einer fließenden Handkamera, was der Geschichte - über das intensive Spiel der Darsteller hinaus - zu lebendiger Energie verhilft.
Auch wenn die Protagonisten hier Juden und Araber sind, die Themen des Films wie Zusammenleben und Toleranz sind universell, und die Botschaft der Regisseure deutet auch auf Probleme nationaler Identität. Kulturelle Differenzen und das alltägliche Zusammenleben sind hier in einer Weise behandelt, die zuweilen politisch unkorrekt und naiv erscheint. Die Regisseure aber haben sich bewußt dafür entschieden, ihre Geschichte als Komödie zu erzählen und einen Film im Sinne anspruchsvoller Unterhaltung zu machen. Äußerst vergnüglich und kurzweilig kreist dieser um ernste Themen.
Originaltitel: SERES QUERIDOS
Spanien/GB/Portugal/Argentinien 2004, 89 min
Verleih: Arsenal
Genre: Tragikomödie
Darsteller: Norma Aleandro, Guillermo Toledo, Maria Botto
Regie: Teresa de Pelegri, Dominic Harari
Kinostart: 01.12.05
[ Jane Wegewitz ] Für Jane ist das Kino ein Ort der Ideen, ein Haus der Filmkunst, die in „Licht-Schrift“ von solchen schreibt. Früh lehrten sie dies Arbeiten von Georges Méliès, Friedrich W. Murnau, Marcel Duchamp und Man Ray, Henri-Georges Clouzot, Jean-Luc Godard, Sidney Lumet, Andrei A. Tarkowski, Ingmar Bergman, Sergio Leone, Rainer W. Fassbinder, Margarethe v. Trotta, Aki Kaurismäki und Helke Misselwitz. Letzte nachhaltige Kinoerlebnisse verdankt Jane Gus Van Sant, Jim Jarmusch, Jeff Nichols, Ulrich Seidl, James Benning, Béla Tarr, Volker Koepp, Hubert Sauper, Nikolaus Geyrhalter, Thierry Michel, Christian Petzold und Kim Ki-duk.