D 2010, 97 min
FSK 6
Verleih: Concorde
Genre: Komödie, Drama
Darsteller: Vedat Erincin, Fahri Yardim, Lilay Huser, Rafael Koussouris
Regie: Yasemin Samdereli
Kinostart: 10.03.11
„Wir riefen Arbeitskräfte, und es kamen Menschen“ – das berühmte Zitat von Max Frisch schwebt über dem Abspann und gibt noch mal eine kräftige Botschaft mit auf den Weg. Ob das nun unbedingt nötig gewesen wäre, sei hier nicht hinterfragt. Aber es faßt die vergangenen 97 Minuten ziemlich gut zusammen, im positiven wie negativen Sinn. Doch bis zum alten Max ist der Weg weit, also beginnen wir natürlich am Anfang.
Und da wird Cenk, sechs Jahre jung, weder in die deutsche noch türkische Fußballmannschaft gewählt, weil er der Nachkomme von Zuwanderern ist, also quasi identitätsmäßig zwischen den Stühlen sitzt. Seine Cousine Canan erzählt zum Trost die Geschichte, wie einst Großvater Hüseyin nach Deutschland kam, als Gastarbeiter Nummer 1.000.001, ergo nur knapp vorbei an der mit einem Moped prämierten Million. Und schon scheint er durch, der sarkastische Unterton, so witzig wie im Hals kratzend.
Nach Jahren harter Arbeit holte Hüseyin die Familie nach, in ein Loch von Wohnung und eine fremde Welt, Gerüchten folgend die Heimat von Kannibalen. Was Anlaß gibt, trefflich allerlei beidseitig gepflegte Klischees aufs Korn zu nehmen. Ja, das ist eine Komödie, eine starke überdies, mit hinreißenden Einfällen, wie dem Sprachbarrieren-Running-Gag. Zurück im Jetzt hat sich Opa entschlossen, ein Haus zu kaufen. Irgendwo in der Türkei. Und die ganze Sippe soll mitkommen, das Domizil gebührend zu bewundern. Auf der langen, immer noch rasant komischen Reise, während derer sich visuelle und verbale Gags die Hand reichen, berichtet Canan weiter, es wird also nicht langweilig.
Doch plötzlich wendet sich leider das Blatt, namentlich haben die Schwestern Samdereli, für Regie und Buch zuständig, nun anderes im Sinn. Sprich: Unvermittelt soll die Fahrt traurig enden, und das ziehen die Damen dann auch straff durch. Vorbei die Heiterkeit, jetzt regiert die große menschliche Tragödie, eine Fiesheit jagt die nächste, der Druck auf Tränendrüsen und Herz wächst bedenklich.
Zwar flechten die Samderelis immer noch schöne Ideen ein, so unter anderem das Zusammentreffen von älteren und jungen Darstellern derselben Rolle, aber es bleibt ein Bruch, die Tragikomödie zerfällt in ihre nicht verzahnten Bestandteile, wie man es aus den USA kennt, mithin einem Land, welches sich (nicht nur, aber auch) als Vorbild in Sachen Film bloß selten eignet.
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...