Originaltitel: MITA TOVA – THE FAREWELL PARTY
Israel/D 2014, 93 min
FSK 12
Verleih: Neue Visionen
Genre: Tragikomödie
Darsteller: Ze'ev Revach, Levana Finkelstein, Aliza Rosen, Ilan Dar, Raffi Tavor
Stab:
Regie: Sharon Maymon, Tal Granit
Drehbuch: Sharon Maymon, Tal Granit
Kinostart: 24.09.15
Ein Rollator schiebt sich ins Bild, gelenkt von der betagten Dame Zelda. Das Telefon klingelt, Zelda hebt ab und spricht mit Gott. Er muß leider Platzprobleme im Paradies einräumen und bittet daher, Zelda möge jetzt noch nicht aufgeben, sondern ihre Krebstherapie wahrnehmen. Als Zelda kurz darauf zurückruft, ist Gott gerade auf der Toilette ...
Denn Gott geht altersbedingt öfter mal austreten, heißt eigentlich Yehezkel und lebt in einem Jerusalemer Seniorenheim, wo er allerlei Erfindungen austüftelt, primär für Gattin Levana. Immer häufiger vergißt sie Dinge, backt Plätzchen mit Salz statt Zucker oder legt ganz selbstverständlich ihre Handtasche im Gefrierfach ab – Anzeichen fortschreitender Demenz. Yehezkels Kumpel Max, unheilbar krank, längst morphiumsüchtig, vegetiert dagegen nur noch dahin. Er will sterben, aber die Ärzte verwehren es. Nun denkt Yehezkel um und baut, unterstützt von einem Veterinär (!), als Freundschaftsdienst einen Apparat, den Max selbst bedienen und sich töten kann. Das macht die Runde, plötzlich wollen allerorten der quälenden Existenz überdrüssige Menschen die Maschine leihen.
Sich verstohlen die Tränen aus den Augenwinkeln wischen und dabei trotzdem nicht psychisch niedergeschmettert am Boden liegen – selten genug schafft es ein Film, diese Kombination bei seinen Zuschauern zu bewirken. AM ENDE EIN FEST gehört zur raren Sorte jener Kunstwerke, weil er ungeachtet aller Schwere locker und im Dienst seiner wundervollen Schauspieler bleibt, Würde einfordert, wo sie aus falsch verstandener Humanwertschätzung fehlt. Das Verbot der Sterbehilfe ist eine Entmündigung, aus irrationaler Angst vor dem Tod geboren, ohne Berücksichtigung der Tatsache, daß alles seine Zeit hat und nur sterben kann, wer vorher lebte. Zelda bringt die Hysterie auf einen Knackpunkt: „Nächsten Monat werde ich 90. Und man kämpft um mich, als wäre ich ein junges Ding von 16!“
Wie nebenbei streift ein formidables Regie-Duo außerdem vermeintliche Tabu-Themen, angesichts derer man sich schon immer fragte, wieso auf ihnen der große Schweigezeigefinger liegen soll. Unter anderem betrifft das egoistische echte Liebe und Erotik im Alter, hier noch einen Schritt weitergedacht, hin zum schwulen Sex inklusive Versteckspielen und Betrug. Schockierend? Nein, absolut notwendig, treffend, begeisternd. Und auf fordernde Weise erstaunlich komisch: Versteckt hängt der Witz beispielsweise in der Rauchwolke über einem Tisch, welcher beim fröhlichen Qualmen als Ort für Lungenkrebs-Diskussionen dient.
Derart trocken stiebt hörenswert leiser Humor, daß er provozierend im Hals kratzt, im Herz schmerzt, im Hirn pulsiert, er verbindet Szenen größter emotionaler Rührung und feinsinniger Anmut. Etwa ein nacktes Zusammentreffen zwischen Grünpflanzen – da hängen nicht bloß Mundwinkel, sondern auch Brüste, Hintern, Hautlappen voller aufrechtem geriatrischen Stolz und ziehen aufgeblähten jugendlichen Schönheitsdiktaturen gütig lächelnd den Stöpsel raus.
Trotzdem ruht der Fokus stets auf Abschieden, und folgerichtig steht ein solcher am mit Mut zur Abblende gesegneten Ende. Man greift zwangsläufig zum Taschentuch – und will sich dennoch mitten ins humane Getümmel werfen. Und das hat ein Sterbehilfe-Film geschafft? Tja, kein Wunder, schließlich feiert er nicht den unabänderlich näher rückenden und bestenfalls menschenwürdigen Tod, sondern das bis dato ausgekostete Leben.
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...