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Am Ende eines viel zu kurzen Tages

Aufwühlendes Kino über ein zu frühes Finale

Man möchte wirklich nicht an einen Song der Puhdys denken, generell möchte man als Freund des guten Geschmacks dies umgehen, und dennoch schießt einem die Liedzeile „Wenn ein Mensch nur kurze Zeit lebt ...“ ins Hirn, was letztendlich okay geht, gehört sie zu einem der noch erträglichen Liedern der sonst recht peinlichen Ostrocker. Und das Lied selbst kommt gottlob in diesem feinen Film über ein viel zu frühes Finale nicht vor. Dafür erklingt der Herzensbrecher „For You“ von Angus & Julia Stone, der schon zu DIE ANONYMEN ROMANTIKER bestens paßte. An sich ist AM ENDE EINES VIEL ZU KURZEN TAGES auch ein romantischer Film, trotz des traurigen Ausgangs oder eben gerade wegen.

Don ist 15, er wird sehr jung sterben, der Krebs ist fies, und mit Gott kann man nicht dealen. Also noch einmal – warum romantisch? Nun, Don ist verliebt. In Shelly. Die Neue in der Klasse. Und von dieser Annäherung erzählt Ian Fitzgibbons Bestsellerverfilmung auf leisen Schritten, mit herantastenden Blicken, mit linkischen Komplimenten: „It’s So Edgy“ taugt als Anerkennung Shellys für den kahlen Kopf Dons nach der Chemo. Doch die Geschichte um Don ist um einiges komplexer als die einer süßen Lovestory. Er ist ein phantasievoller Junge, der sich in die Welt seiner selbstgemalten Comics flüchtet, und wenn es da auch nicht viel hoffnungsvoller zugeht, ist er hier immer noch der unumstrittene Held. Er hat die Kontrolle, und genau darum geht es auch, das manifestiert sich im verzweifelten Ausspruch Dons, wenn er mal wieder über Selbstmord räsoniert, weil er eben nicht wie eine alte Frau sterben will.

Er lernt den Arzt Adrian King kennen, für ihn Nervendoc Nr. 6, nachdem fünf vor ihm an Dons Verweigerung scheiterten. Doch King ist anders, lässiger, distanzierter, abwartender, unaufgeregter und am wichtigsten – er hat eine Vergangenheit, die ihn mit Don durch dessen versagte Zukunft verbindet. Die Verfilmung des Bestellers „Superhero“ ist also auch eine Geschichte über Freundschaft. Eine ganz berührende sogar, weil eben über allem diese – pardon – verfickte Endlichkeit lauert. Deswegen ist Dons Wut nur verständlich, ein Zorn, den in dem Fall vor allem seine Eltern abkriegen. Die sind hoffnungsvoll, ohnmächtig, besitzergreifend, kämpferisch, verzweifelt – wie es gute Eltern in so einer Situation sein sollten. Daß die Geschichte mit der Neugier auf den ersten Sex, den dann eine von Jessica Schwarz gespielte Nutte ermöglichen soll, etwas konstruiert und wie ein Fremdkörper in diesem sonst so klug austariertem Film wirkt, sei nur erwähnt, sie bringt ihn nicht zum Wanken.

Was vor allem auch ein Verdienst des noch sehr jungen Darstellers Thomas Brodie-Sangster ist. Man nimmt ihm all die Gefühle – die Zerrissenheit, die Wut, die Traurigkeit, die Rebellion gegen die sich zu stark sorgenden Eltern und die Empathie ob des neu empfundenen Glücks – uneingeschränkt ab, auch die Hilflosigkeit, mit der Don an der Wollmütze zuppelt, als gelte es, etwas nicht sichtbar zu machen. Und es geht richtig nah, wenn er dann endlich einmal lächelt. Eben, weil man ja weiß, daß sein Tag keine 24 Stunden hat.

Originaltitel: DEATH OF A SUPERHERO

D/Irland 2011, 97 min
FSK 12
Verleih: NFP

Genre: Drama

Darsteller: Thomas Brodie-Sangster, Andy Serkis, Jessica Schwarz

Regie: Ian Fitzgibbons

Kinostart: 30.08.12

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.