Originaltitel: ON CHESIL BEACH
GB 2017, 110 min
FSK 12
Verleih: Prokino
Genre: Drama, Literaturverfilmung, Liebe
Darsteller: Saoirse Ronan, Billy Howle, Emily Watson, Anne-Marie Duff, Samuel West
Regie: Dominic Cooke
Kinostart: 21.06.18
Kann sein, daß man etwas Anlauf braucht, um in den Film zu gelangen, weil das Thema heutzutage kaum noch brennende Hitze besitzt. Gehen wir also gedanklich ein Stück zurück, nach 1962, und rennen los, direkt ins Hotelzimmer der Neuvermählten Florence, Tochter aus sprichwörtlich gutem Hause, und Edward, Sproß einer Familie, deren Zusammenhalt wegen der gehirngeschädigten Mutter – stark gemimt von Anne-Marie Duff – ständige Prüfungen erfährt. Nervosität knistert, Anspannung wabert, das Paar legt ebenfalls den mentalen Rückwärtsgang ein, rekapituliert das Kennenlernen, elterlichen Standesdünkel, Leidenschaft gegen jeden Widerstand. Alles in Rückblenden erzählt, vorerst wenig Innovatives, vielleicht keimt sogar dezente Langeweile, diese ist dann allerdings sehr gepflegt und schön anzuschauen. Hervorragend gespielt sowieso, primär Saoirse Ronan fungiert neben Duff wie gewohnt als sichere Bank.
Auf welcher sich Regie-Frischling Dominic Cooke indes nicht auszuruhen gedenkt und im Jetzt einen weiteren Handlungsstrang mit dramatischem Potential verortet, namentlich doppelte intime Unerfahrenheit, herausfordernd angesichts der Hochzeitsnacht. Okay, Florence las vorbereitend einen Sex-Ratgeber, aber geholfen hat’s der laut Edward „spießigsten Person der westlichen Hemisphäre“ (recht fragwürdiges Kompliment, am Rande bemerkt) nix. Und so kommt’s zum Knall, als der bis ans Bersten geschwollene geistige Ballon vernehmlich platzt, seine giftige Füllung aus verletztem männlichen Stolz, mangelnder Empathie, gesellschaftlichen Zwängen, eventuell auch unterdrückter Aggression sowie externem Druck – schließlich hatte Edwards Vater ihm praktisch befohlen, er solle jenes Fräulein heiraten, das solch’ positiven Einfluß auf die kranke Gattin hat – ausschüttet.
Fortan bietet die leitmotivisch durch Schuberts „Der Tod und das Mädchen“ begleitete Entwicklung für Dämmerei keinerlei Raum mehr, sämtliche Aufmerksamkeit gehört einer Verbindung, die trotz beiderseitiger Liebe am individuellen Freiheitsbegriff zu scheitern droht. Oder mangelt es an Kommunikation, gerade auf Seiten Edwards, dessen Sätze oft nur halb ausgesprochen versacken?
Cooke thematisiert, daß manchmal ein einziger Blick, ein mutiger Sprung über den eigenen Schatten genügt hätten, den Lauf eines Lebens (oder deren zwei) zu ändern. Eine wiederum doch zeitlos aktuelle Betrachtung.
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...