Keine Frage: der Titel ist gut. Vielleicht das beste an diesem Film, der durchaus gut gemeint, oder fairer gesagt, gut angedacht ist. Damit es keine Mißverständnisse gibt, steht unter dem Titel "Eine grüne Komödie". Was das genau ist, fragt sich der geneigte Zuschauer im Joschka-Visa-Zeitalter? Nun denn.
Nach der Trennung seiner Eltern verläßt der Teenie Niels im Schlepptau seiner Mutter fluchtartig das schöne Bremen, um in der schleswig-holsteinischen Provinz nahe Itzehoe, dort wo man eigentlich ganztags "Moin" sagt, in einer bizarr anmutenden Kommune unterzukommen: Herzlich Willkommen im Wohnkollektiv Regenbogen! Das Begrüßungsritual spricht Bände: nackte Männer und Frauen rennen ästhetisch grenzwertig zum Gemeinschaftsbade auf dem Hof herum, Niels wird von der frivolen Gesine auf etwaiges Schwulsein abgeklopft, und Mutter Hanne steht erst einmal nur staunenden Mundes auf dem Acker rum.
Niels hingegen ist im Bild: hier herrscht das Freigeistige, das Freizügige, hier weht das letzte laue Lüftchen des Hippiegeistes. Und so sind es zwangsläufig nur wenige Filmminuten bis der Zuschauer Zeuge selbstversorgender Schafschur und gemeinsamer Schreitherapie wird und zudem erfährt, daß man Kaffee aus Getreide trinkt, da echter Bohnenkaffee schließlich imperialistisch ist. Das hätte man vor der Wende den Ossis mal so deutlich sagen müssen ...
Niels hat den Kanal schnell und vor allem endgültig voll, als er seine Mutter in tantrischer Verrenkung mit Peter, dem Kopf der Kommunarden, erwischt. Er bändelt mit der Tochter des Bürgermeisters an, läuft in einer Jugendgruppe gegen die AKW fleißig mit und sprengt auch schon mal einen Elektromast. Die Kommune gerät an ihre (psychischen) Grenzen, dann passiert auch noch Tschernobyl, und für die dem Trinken zugetane Elly schlimmer noch, stirbt Bobby Ewing in der Seifenoper DALLAS ...
Mit einem Augenzwinkern erzählt Lars Jessen von einer Zeit, in der Karottenhosen, Lederschlipse und Turmfrisuren dem Hippiegeist längst den Garaus gemacht hatten. Er sinniert ein bißchen über geistigen Widerstand, über Lebensmodelle und kommt dabei nicht über die Idee, über den Hauch einer Kindheitserinnerung, hinaus. Kann er vielleicht als dann doch Etwas-zu-spät-Geborener auch nicht, doch so wirkt - bei allem fleißigen Einsatz von Ironie und spitzbübischer Betrachtung - seine Geschichte ein bißchen second hand. Getragen also.
Daß Jessen auf für ihn doch recht unerforschtem Gelände stöbert, überträgt sich auch auf das Spiel seiner Mimen: Gabriela Maria Schmeide als Hanna ist zwar wie immer gut, wird von der Holprigkeit ihrer Figur aber ausgebremst. Franz Dinda - zweifelsohne ein echtes Nachwuchstalent - kämpft gegen die Blässe seines Niels. Und Peter Lohmeyer spielt - eigentlich auch wie immer - Peter Lohmeyer. Nur diesmal mit einem bizarr anmutenden, aus einem jenseitigen Theaterfundus stammenden Kopfschmuck.
Die nachdenklich stimmende Botschaft zwischen den Zeilen, Posen und Äußerlichkeiten: die Menschen aßen kurz nach Tschernobyl wieder Kopfsalat, und DALLAS ging trotz Bobbys Tod noch ein ganzes Stück weiter ...
D 2005, 92 min
Verleih: Jetfilm
Genre: Komödie, Erwachsenwerden
Darsteller: Gabriela Maria Schmeide, Peter Lohmeyer, Franz Dinda, Nina Petri, Richy Müller
Regie: Lars Jessen
Kinostart: 14.07.05
[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.