Originaltitel: AMERICAN HUSTLE
USA 2013, 138 min
FSK 6
Verleih: Tobis
Genre: Komödie, Krimi
Darsteller: Christian Bale, Amy Adams, Bradley Cooper, Jennifer Lawrence, Jeremy Renner
Regie: David O. Russell
Kinostart: 13.02.14
David O. Russell lief zu den 71. Golden Globe Awards in angemessener Kleidung und mit gekämmtem Scheitel auf. Drei der Trophäen nahm er mit, und er sollte – eine Vorhersage ohne Risiko – seine Garderobe für die bevorstehenden Academy Awards im Schrank nicht zu weit nach hinten hängen. Zu viel Oberfläche? Immerhin sei sie die sichtbare Seite der Tiefe, sagt man. Und es wäre schließlich nicht das erste Mal, daß hohe Hacken auch den Geist erheben und eine zu enge Hose die Libido steigert. Oder?
Die Frage nach der Henne und dem Ei, dem Innen und dem Außen beantwortet AMERICAN HUSTLE dialektisch, wenn man so will amerikanisch. Angesiedelt im New York der 70er Jahre, macht die Musik den Ton, der Anzug die Haltung, das Toupet den Charakterkopf und die Umstände die Moral. Zu Duke Ellington lernen sich zwei lieben – der verheiratete Textilreinigungsunternehmer Irving Rosenfeld und die undurchschaubare Sydney Prosser. Eng umschlungen swingen sie durch die Plastikschutzhüllen von vergessenen Abendroben, greifen sich hier ein gewagtes Kleid, dort ein durchschwitztes Samtjackett und tänzeln in eine Parvenü-Existenz, in der sie nach dem Schneeballsystem halbseidene Kredite vermitteln. Doch einer der Kunden erweist sich als falscher Fuffziger: FBI-Agent DiMaso, vorgetäuschter Lockenkopf auf von Ehrgeiz zerfressenem Rumpf, preßt dem aufgeflogenen Hochstaplerpaar die Mitwirkung an einer Großaktion gegen gewiefte Mafiosi und käufliche Lokalpolitiker ab, die als Abscam-Skandal in die Polizeigeschichte eingehen sollte.
Selten wurde man sich während eines Films so sehr seiner nachlässigen Frisur bewußt. Oder schämte sich so gründlich all seiner Vorurteile über das Stilempfinden des US-amerikanischen Starkinos, in das man unter standhafter Verleugnung jedweder Cukor- bis Tarantino-Erfahrung immer noch zu wenig Vertrauen hat. Dabei, wie gesagt, kann Russell sich anziehen – mindestens so geschmackssicher wie seine Figuren, diese Hysterikerinnen, Femmes fatales, schmerbäuchigen Ganoven und großmäuligen Aufsteiger, die auch ihre psychologischen Accessoires mit einer Selbstverständlichkeit tragen wie andere ihre Unterwäsche.
Und er kann noch mehr: einen Discofox mit dem Topos des betrügenden betrogenen Betrügers, den dramaturgischen Limbo mit erzählter wie gefühlter Zeit und – ganz wichtig – smarte Unterhaltung, auf und unter der Oberfläche.
[ Sylvia Görke ]