Originaltitel: THE UPSIDE OF ANGER
USA 2005, 118 min
Verleih: Tobis
Genre: Tragikomödie, Schicksal, Drama
Darsteller: Joan Allen, Kevin Costner, Evan Rachel Wood, Alicia Witt
Stab:
Regie: Mike Binder
Drehbuch: Mike Binder
Kinostart: 07.07.05
"Wäre sie nicht meine Mutter, würde ich sie ohrfeigen" - wenig zimperliche Worte hat Popeye Wolfmeyer für den Frust ihrer Mutter Terry übrig. Sturzbesoffen erklärt diese am Abendbrottisch dem Nesthäkchen Popeye und den drei älteren Töchtern Andy, Emily und Hadley, daß Papa Wolfmeyer sie verlassen hätte und mit "dieser schwedischen Sekretärin" durchgebrannt sei. Nach Schweden, davon ist Terry überzeugt. Fortan gehört das Longdrinkglas zur Grundausstattung von Frau Mama, und die Töchter versuchen, den Familienalltag bestmöglich zu meistern. Terrys Wutausbrüchen und rege wechselnden Launen stehen sie jedoch hilflos gegenüber. Unerwarteter Beistand kommt vom daueralkoholisierten Nachbarn Denny Davies, einem Teilzeit Radio-Moderator, der um seine längst vergangene Karriere als Baseball-As trauert. Er hat sich die attraktive Frau zur neuen Saufkumpanin auserkoren. Das folgende flüchtige Bettabenteuer tut Terry als Zufall ab - ähnlich selten wie die Sichtung des Halleyschen Kometen.
Ganz recht - es ist Kevin Costner, welcher in der Rolle des Säufers Denny verblüfft, der mit seiner neugewonnenen Energie sich selbst am meisten überrascht. Witzelnd und schlurfend sorgt er für erheiternde Momente im Drama. Die wahre Glanzleistung vollbringt aber Joan Allen als gebeutelte Terry Wolfmeyer und beweist sich nach PLEASANTVILLE, RUFMORD - JENSEITS DER MORAL und WIE EIN EINZIGER TAG erneut als geniale Aktrice. Sie peitscht sich durch Wutausbrüche, rotzt sich durch die Hilflosigkeit und hält sich trotz immer neuer Schicksalsüberraschungen letztendlich doch so aufrecht, daß man sich selbst derartige Stärke wünscht und nicht anders kann, als rastlos mitzufiebern.
Wut kann uns verändern, flüstert uns Popeye gleich zu Beginn des Films, und meist - so verrät sie uns weiter - kennen wir nur eine Version der Geschichte, wissen nur die halbe Wahrheit. Es ist natürlich ein Wagnis, die Jüngste der strauchelnden Familie zur Erzählerin zu küren und ihr Weisheiten in den Mund zu legen. Doch dieser Spagat gelingt und bildet den perfekten Rahmen für eine lebensechte, ruppig-romantische Geschichte.
Ohnehin orientiert sich Regisseur Mike Binder effektiv an europäischen Vorbildern. Statt den Erklär-Bär zu bemühen, erzählt er mit Gespür und Pointen, wechselt nahtlos vom Traurigen ins Dramatische und läßt den Figuren ihren ganz eigenen Humor. Daß natürlich auch der Zuschauer nicht die ganze Wahrheit kennt, ist die krönende, bittere Pointe.
[ Roman Klink ]