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An ihrer Seite

Die Seele erfüllendes Kinowunder um eine Liebe über das Vergessen hinaus

Mehr als 40 Jahre, mithin ein ganzes Leben lang, sind Fiona und Grant verheiratet. Eine Ehe, geprägt von Vertrauen, zärtlichen Blicken, leisen Berührungen. Und ja – auch körperliche Zuneigung gehört noch immer dazu. Ein Zusammensein, in dem Fiona es als Liebeserklärung zu deuten weiß, wenn ihr Mann sie lächelnd "Miststück" tauft. Seine Seitensprünge, damals? Beileibe nicht vergessen, manchmal konfliktreiches Thema, aber eigentlich verziehen.

Doch immer öfter sucht Fiona nun nach dem richtigen Wort für banale Dinge, klebt kleine Merkzettel an Schubladen oder weiß kaum mehr, was sie gerade tun wollte. Eines Abends muß sich Grant gar auf die Suche nach ihr machen, findet sie verwirrt fernab des gemeinsamen Hauses. Fionas Resümee: "Jetzt ist es so weit." Es, das Vergessen. Es, das Pflegeheim für Alzheimer-Patienten.

Bereits ab diesem Moment kann man sich Julie Christies Präsenz nicht mehr entziehen. Sie porträtiert Fiona nie als demütiges Opfer, sondern zeichnet eine im Alter zur Schönheit gereifte Frau voller Stolz, die ihr Schicksal würdevoll trägt, anstatt es weinerlich hinzunehmen. Deren Augen unter spöttisch in die Höhe gezogenen Brauen ironisch blitzen, wenn sie trocken kommentiert: "Das ist schockierend." Die viel über das Krankheitsbild liest, sich auf das Unausweichliche vorbereitet, ihren Mann tröstet – nicht umgekehrt. Erst am letzten Tag vor dem Abschied vergießt Fiona eine Träne. Nur eine einzige. Sie wird im Heim ankommen und Grant bitten, schnell zu gehen. Allerdings besagt eine Vorschrift, daß neue Patienten 30 Tage keinen Besuch empfangen dürfen, von niemandem. Ein Monat der Qual für Grant, doch das weitaus Schlimmere steht ihm noch bevor: Als er nach Ablauf der Frist Fiona zum ersten Mal wiedersieht, erkennt sie ihn nicht mehr. Und hat sich neu verliebt ...

Obwohl Christie fortan etwas in den Hintergrund rückt, bleibt sie dennoch das Herz des Films, unbändig schlagend und kraftvoll gegenwärtig. Gordon Pinsent als Grant dagegen verleiht dem Geschehen seine Seele. Wie er sich an jeden kleinen Hoffnungsschimmer klammert, sich gegen den Gedanken wehrt, seine langjährige Gefährtin und beste Freundin an einen anderen zu verlieren, raubt schier den Atem. Grant muß nicht nur erkennen, sondern eben auch akzeptieren, daß wahre Liebe nun mal Geben ohne Nehmen im Hinterkopf bedeutet, keine Gegenleistung verlangt und bisweilen in letzter Konsequenz sogar die Stärke fordert, den Menschen an seiner Seite gehen zu lassen. Manchmal bloß für einen Abschied, bestenfalls aber als Chance eines beiderseitigen Neubeginns, der das miteinander Erlebte nicht schmälert, sondern nur noch wertvoller macht.

Man darf Sarah Polley hoch anrechnen, daß sie – obgleich ebenfalls eine superbe Aktrice – ungeachtet einiger Möglichkeiten selbst keine Rolle in ihrem Regiedebüt übernommen, sich ausschließlich auf die völlig kitschfreie, oft sogar überraschend humorvolle Inszenierung konzentriert hat. Und ohne Zweifel gebührt Polley einfach Dank für diesen Film, den man wie einen kostbaren Schatz nach Hause trägt, um ihn Stunden, Tage oder vielleicht erst Wochen später loszulassen. Mit einem Lächeln.

Originaltitel: AWAY FROM HER

Kanada 2006, 109 min
FSK 0
Verleih: Majestic

Genre: Drama, Liebe

Darsteller: Julie Christie, Gordon Pinsent, Olympia Dukakis

Stab:
Regie: Sarah Polley
Drehbuch: Sarah Polley

Kinostart: 06.12.07

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...