Österreich/Luxemburg 2018, 111 min
Verleih: Grandfilm

Genre: Drama, Biographie, Historie

Darsteller: Makita Samba, Alba Rohrwacher

Regie: Markus Schleinzer

Kinostart: 28.11.19

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Angelo

Vom Fremdsein

Europa zu Beginn des 18. Jahrhunderts: In einem kargen Raum steht eine Reihe schwarzer Jungen vor einer weißen Frau, die einen von ihnen aussucht. Der Auserwählte wird auf den Namen Angelo getauft und erhält eine umfassende Bildung. Nach dem Willen der Comtesse soll er fortan ein leuchtendes Beispiel dafür sein, daß aus „Negern“ Menschen werden können. Jahre später wird Angelo als sogenannter „Hofmohr“ von Herrn zu Herrn weitergereicht und landet schließlich beim Kaiser in Wien. Prächtig ausstaffiert dient er dem Hofstaat als exotische Zierde und unterhält ihn mit erfundenen Schauergeschichten aus Afrika. Später gelingt es Angelo, sich aus der Abhängigkeit seines Herrn zu befreien und eine Familie zu gründen. Seine Frau Magdalena ist der erste Mensch, der ihn nach seinem wahren Selbst fragt. Aber wie soll jemand eine tragfähige Identität entwickeln, der sein Leben lang Projektionsfläche für die Ängste und Sehnsüchte seiner Mitmenschen war?

ANGELO basiert auf den Lebensfragmenten von Angelo Soliman (um 1721-1796), der als Kind aus Westafrika nach Europa verschleppt wurde und es als Kammerdiener, Prinzenerzieher und Freimaurer in Wien zu großer Bekanntheit brachte. Regisseur Markus Schleinzer macht daraus allerdings kein Biopic im gängigen Sinne. Stattdessen ist sein Film eine inhaltlich und ästhetisch radikale Reflexion über lebenslange Fremdheit und die Wurzeln des europäischen Rassismus’. Dafür genügen dem Filmemacher reduzierte, vom Theater kommende Mittel. Sein Kammerspiel kommt mit wenig Text aus, die Hauptfigur sagt kaum ein Wort. Stattdessen wird über Angelo gesprochen, nicht mit ihm. Die höfische Welt mit ihren genau festgeschriebenen Ritualen bot ohnehin kaum Raum für ein Miteinander auf Augenhöhe. 

Wo die Worte fehlen, sagen die Bilder umso mehr. Jede Szene ist genau arrangiert und auf den Punkt gespielt. Mit wenigen Einstellungen vermittelt sich eine ganze Welt. Das 18. Jahrhundert scheint auf der Leinwand zum Greifen nah – gerade weil es sich nicht hinter der üblichen lehrbuchhaften Didaktik und optischen Überwältigung des Historienkinos versteckt. 

Zwar ist die Erzählweise ausgesprochen fragmentarisch, aber dank des großartigen Ensembles um Makita Samba und Alba Rohrwacher setzen sich die einzelnen Puzzleteile von Angelos Leben im Kopf des Zuschauers zu einem Bild zusammen. Dessen letzter Akt erschüttert in seiner absurden Grausamkeit. Leider ist er nicht ausgedacht.

[ Dörthe Gromes ]