Dieses Kinostück hat einen genußvollen Mehrwert, denn man lernt als Zuschauer etwas über – Whisky. Über das Öffnen von Holzfässern, über Bräuche, Preise, was es heißt, den Engeln einen Schluck zu widmen. ANGELS’ SHARE ist der neue Film von Ken Loach. Der Brite bleibt damit als realitätsnaher Geschichtenerzähler ein Garant im europäischen Kino, so wie der Single Malt schottisches Kulturgut ist. Nach über 45jähriger „Reife“ als Regisseur und 76jähriger als Mensch ist sein Werk von milder Sorte, vollmundig und ausgewogen, mit sanftem Abgang.
Welche Schwerverbrecher! Mo hat einen Papagei geklaut, Rhino auf ein schottisches Denkmal uriniert, der gleichsam besoffene Albert verwechselte Bahnsteig und Gleise. Einzig für Robbie wird es wirklich knapp, denn zum wiederholten Mal wird er wegen Körperverletzung angeklagt. Ein ewiger Kreislauf, den er allerdings durchbrechen will, denn seine Freundin steht kurz vor der Geburt des gemeinsamen Sohnes. Endlich ein Ziel, das lohnt. Keine Narben mehr. Auch das Gericht sieht es so und verurteilt Robbie wie die anderen arbeitslosen Pappenheimer nur zu gemeinnütziger Arbeit unter der Aufsicht von Harry. Der hat nicht nur das Herz auf dem rechten Fleck, sondern immer einen guten Whisky im Schrank. Über Robbies schiefes Gesicht, als er sein erstes Glas verkostet, kann Harry nur lachen.
Zwischen Grabsteinpflege und Farbwechsel im Gemeindehaus fährt er mit seinen Schützlingen zunächst in eine Destillerie, dann zu einer Whiskymesse nach Edinburgh. Nicht nur, daß Robbie inzwischen auf den Geschmack gekommen ist, er entwirft zugleich einen Plan (der tatsächlich wie von der Olsenbande geliehen aussieht): Die Versteigerung eines besonders edlen Tropfens in den Highlands steht an, ein paar Flaschen davon illegal abgefüllt, könnte die finanzielle Zukunft auf absehbare Zeit sichern, und, wer weiß, vielleicht auch jene, die mit Geld so gar nichts zu tun hat. Robbie, Mo, Rhino und Albert werfen sich in Kilts und machen sich auf den Weg …
ANGELS’ SHARE ist für Ken Loach eine Komödie, so wie JUST A KISS vor acht Jahren ein Liebesfilm war. Daß er dafür weder die für ihn angestammten kleinen Leute noch die Spannungen, mit denen sie leben, verlassen muß, zeugt von Kraft, Meisterschaft und einem großen Herz. Was ihn mit seinem angestammten Drehbuchautor Paul Laverty einen dürfte.
Originaltitel: THE ANGELS’ SHARE
GB/F 2012, 101 min
FSK 12
Verleih: Prokino
Genre: Komödie
Darsteller: Paul Brannigan, Siobhan Reilly, John Henshaw, Gary Maitland, William Ruane, Jasmin Higgins
Regie: Ken Loach
Kinostart: 18.10.12
[ Andreas Körner ]