Originaltitel: ANHELL69

Kolumbien/F/D/Rumänien 2022, 75 min
FSK 16
Verleih: Salzgeber

Genre: Dokumentation, Schwul-Lesbisch

Regie: Theo Montoya

Kinostart: 28.09.23

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Anhell69

Welche Zukunft? Eine Elegie

Weil in Medellín Gewalt an der Tagesordnung ist, drohen jenseitige Platzprobleme und beginnen die Geister toter Menschen, neben den Lebenden zu existieren. Man feiert und vögelt enthemmt, was weder Kirche noch Regierung erfreut; eine Säuberungswelle rollt an …

So die Handlung eines nie gedrehten Films, seine Entstehung wegen des plötzlich verstorbenen Hauptdarstellers verpufft. Nun läßt sich Regisseur Theo Montoya im Leichenwagen herumfahren, sinniert, dreht die Zeit zurück. Zeigt Ausschnitte des Castings, darin nihilistische junge Leute ohne Zukunftsblicke, die über das Heute hinaus nichts sehen. Träume beinhalten hormonell wachstumsgeförderte Brüste, Geld, Hollywood, Russen oder Araber, die es ermöglichen zu fliehen. Raus, nur weg! Derzeitiger Emotionsstand: „Nichts bewegt mich.“

Sex und Sterben, kleiner und großer Tod, zwei tragende Themen des einst angedachten Werkes, nehmen auch real hohen Stellenwert ein, Fiktion und Wirklichkeit fließen nachdrücklich ineinander, Syphilis und HIV gelten als ebenso normal wie Suizid und Überdosis, schwuler „Dreck“ soll vom Erdboden verschwinden, religiöse Eiferer reichen Rechtsextremisten blutnasse Hände. Der queeren Jugend wiederum kommen manchmal Trennstriche abhanden, sie weiß dann nicht mehr zu unterscheiden, wo kämpferisches Stehen über den Dingen endet, man im schon zynischen Hinnehmen dazu neigt, ihnen Bedeutung abzusprechen. Verlorenheit, wabernd durch nächtliche Bilder ruhiger Sehnsucht, sich spiegelnd auf Gesichtern zwischen Kälte und ewigem Lächeln.

Der Nachspann schließlich erinnert an acht Wegbegleiter Montoyas. Keiner erreichte die 40. Fünf durften nicht mal 30 werden.

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...