Originaltitel: ANCHIPORUNO
J 2016, 76 min
FSK 16
Verleih: One
Genre: Schräg, Erotik, Drama
Darsteller: Ami Tomite, Mariko Tsutsui
Regie: Sion Sono
Kinostart: 16.05.19
Die Künstlerin Kyoko ist jung, sexy, ziemlich aufgedreht und erfolgreich. Ein Klischee grellbunten Pop-Art-Daseins lebt sie allein in ihrem kanariengelb getünchten Atelier. Gut, eine imposante Eidechse – neben Kyokos Bett in einer Trinkflasche (!) hausend – ist auch noch anwesend. Ein stoisch äugender Augenzeuge für das, was sich hier in diesen vier Wänden, die sich nur allzu bald zur Welt der Psychosen und Phantasmagorien weiten, abspielen wird.
An Psychosen und Phantasmagorien eben, die zwischen expressiven Farbexplosionen und surrealen Bilddelirien, zwischen kreischend schrillem Eskapismus und Psychoterror all das machen, was die Filme des japanischen Regisseurs Sion Sono immer machen: unbekümmert exaltiert sein, Hysterie ausleben, sich an der Provokation versuchen. Konnte man auch in Deutschland schon oft sehen. In Werken wie SUICIDE CLUB, STRANGE CIRCUS, TOKYO TRIBE und natürlich LOVE EXPOSURE, der 240minütigen Sion-Sono-Überdosis, der gegenüber ANTIPORNO jetzt nachgerade wie Valium wirkt. Trotz all der Ingredienzien, die sich einmal mehr vom Sadomaso-Schnickschnack bis zum labyrinthischen Film-im-Film-im-Film-Aufbau darin finden lassen.
Kyoko nämlich bekommt bald Besuch von ihrer Agentin Noriko. Womit sich ruckzuck eine Konstellation auch dezidiert sexueller Unterwerfungsmechanismen manifestiert. Und ist dabei Kyoko anfänglich noch die Dominierende, ändert sich das Machtverhältnis radikal, als sich die bisherigen Atelier-Geschehnisse plötzlich als Dreharbeiten zu einem Film entpuppen, an dessen Set Kyoko in der Hierarchie dann wiederum an absolut unterster Stelle steht (besser: kriecht), während Noriko sich als dominante Furie erweist.
Nicht, daß ANTIPORNO damit schon am Ende seiner labyrinthischen Winkelzüge wäre. Bei weitem nicht. Sexuelle Repression im Elternhaus und eine tote Schwester Kyokos öffnen die Türen zu neuen Abzweigungen. Erinnerungs- und Traumfetzen vermischen sich dabei mit motivisch wiederholten Bildkompositionen in schrillen Farben und einer im Grunde ebensolchen Tonspur zu einem Werk totaler Künstlichkeit.
Das ist in Einzelsequenzen und zumal in der Montage oft von erstaunlicher, auch schwindelerregender Dynamik. Welche darüber hinaus, also in der Gesamtheit des Films, indes auf kaum mehr verweist als narzißtischen Manierismus. Die Eidechse jedenfalls nimmt’s mit Gleichmut.
[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.