Originaltitel: ARMAND
Norwegen/NL/S/D 2024, 118 min
FSK 12
Verleih: Pandora
Genre: Tragikomödie
Darsteller: Renate Reinsve, Ellen Dorrit Petersen, Endre Hellestveit, Thea Lambrechts Vaulen
Regie: Halfdan Ullmann Tøndel
Kinostart: 16.01.25
Knapp vor den Sommerferien wird es noch einmal frostig, ein Lernort zum Tatort, doch genau das wäre schon mal die erste vage Fährte. Auch ELTERNABEND im herkömmlichen Sinne wirkt hier im Grunde „vertitelt“, denn sehr viel mehr als sechs Personen, frontenfair verteilt, wird dieses aufregende, in all seinen Ambitionen transparente Kammerspiel nicht zeigen. Es zirkuliert komplett in einer norwegischen Schule, in Zimmern und Kabinetten und sehr gern Gängen, am Schluß auf dem Hof, und Kinder huschen nur am Anfang kurz durchs Bild. Kinder sind ja auch nicht das Problem der Pädagogik, es sind die Eltern.
Elisabeth wurde einbestellt. Sie kommt nicht, nein, sie erscheint im Flur mit trendigem Trenchcoat und lautem Stechschritt, die pompösen Ohrringe blieben im Auto. Sunna, die junge Klassenlehrerin ihres Sohnes Armand, versichert mehr verängstigt als beruhigend, es sei nichts Ernstes. Von wegen! Da sollte man sie nach zwei Stunden besser erneut befragen. Nüchtern wollte sie die Sache angehen, jetzt schwirrt Sunna der Kopf. Doch nicht nur sie steht unter Druck, auch Direktor Jarle und Ajsa, von der gar nicht recht klar ist, welche Rolle sie im Gremium belegt. Daß ihr zweimal zu viel die Nase blutet, könnte Bände sprechen.
Drei gegen eins wäre ungerecht. Anders und Sarah, zu zweit Erziehende ihres Sohnes Jon, kommen hinzu, sie haben diese Aussprache initiiert. Oder angezettelt? Lassen wir das besser mit den Fährten, den vagen, falschen und vermeintlich richtigen. Das Spielfilmdebüt von Halfdan Ullmann Tøndel durchmißt der wache Cineast am besten ohne Geh- und Sehhilfe. Denn als man sich schon so hübsch in einem optisch grobkörnigen und akustisch vibrierenden, extrem präzise inszenierten und genauso gespielten Diskursdrama über die Mächte und Ohnmächte schulischer und heimischer Erziehung eingerichtet zu haben glaubt, rauscht ELTERNABEND zur Hälfte hin mit vollem Speed in neue Tonarten. Es wird so richtig absurd, wo es bereits beißend war, komisch, wo Ernst die Lage regierte, surreal, als die Räume dringend nach Durchlüftung wimmerten, choreographiert, als die Körper ihre verordnete Starre lösten. Eines aber bleibt der Film: zwingend. Manchmal ist Fiktion eben überhaupt nicht ausgedacht.
Daß es sich bei Armand und Jon um 6jährige handelt, wurde hier noch nicht erwähnt, oder? Und auch nicht, was zwischen beiden „vorgefallen“ ist. Gut so!
[ Andreas Körner ]
Passage Kinos: Preview 18:00
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