Mit Kunst zu leben, ist ein schönes Gefühl. Und es ist eine Sucht, die teurer ist als Kokain. Sagt einer, der es wohl wissen muß. Udo Kier nämlich, der Schauspieler, der selbst so exaltiert wirkt, wie es seine Filmographie ist.
Aus Kunst besteht die freilich nicht nur, aber sie liest sich so schön, daß es fast wieder etwas von Kunst hat, wenn man diese Melange aus Trash der Machart von HEXEN BIS AUFS BLUT GEQUÄLT neben Experimentellem á la VERFÜHRUNG – DIE GRAUSAME FRAU oder 100 JAHRE ADOLF HITLER – DIE LETZTE STUNDE IM FÜHRERBUNKER stehen sieht. Dazu kommen freilich noch Arbeiten mit Rainer Werner Fassbinder, Lars von Trier, Gus Van Sant und massenhaft Hollywood-Streifen, in denen Kier vor allem den Schurken mimte.
Es scheint, der Mann schnupfe Kino, wie man Kokain schnupft: Mal ist der Stoff besser, mal schlechter, aber irgendwie kickt es immer. Und sieht man jetzt Hermann Vaskes Doku-Essay ARTEHOLIC, zeigt sich Kier eben auch als ein Kunst-Kokainist erster Güte. Denn ob der Stoff gut oder schlecht ist, spielt hier irgendwie keine Rolle. Die Schattierungen von Begeisterung und Distanz einzelnen Werken und Künstlern gegenüber gibt es nicht. Den Udo scheint alles high zu machen, was in den Galerien und Museen von Bonn, Köln, Paris, Frankfurt/Main, Kopenhagen und Berlin zu finden ist.
Und so schlendert er dann, ganz Nonchalance, ein Kindskopf, aber einer mit Stil und Witz und Intelligenz, mit Marcel Oldenbach durch die Bonner Kunsthalle, „performt“ wenig später Schillers Glocke, sinniert über Kartoffelklöße, mault, daß die geschenkten Schuhe von Hugo Boss drücken, vertieft sich in einer Pariser Galerie in die Erinnerung an Begegnungen mit David Hockney und Robert Mapplethorpe und in Frankfurt an die mit Andy Warhol. Mal tauscht er sich mit Rosemarie Trockel ausführlich über Hunde aus, mal sitzt er schweigend neben einem schweigenden Lars von Trier, für den der großartige Per Kirkeby die Kapitelbilder zu BREAKING THE WAVES fertigte. Mal plappert er mit dem weniger großartigen Jonathan Meese über den Unterschied zwischen Kunst und Kultur.
Und so wird auch ARTEHOLIC, was Udo Kier ist. Eine hübsche Exzentrik, der man, vorausgesetzt, man interessiert sich für Kunst, gern zuschaut und zuhört. Die knackigen 86 Minuten, die das dauert, markieren dabei das genau richtige Limit zur Vermeidung einer Überdosis.
D 2014, 86 min
FSK 0
Verleih: Camino
Genre: Dokumentation, Biographie
Regie: Hermann Vaske
Kinostart: 16.10.14
[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.