Originaltitel: JIANG HU ER NV
China/F/J 2018, 136 min
FSK 12
Verleih: Neue Visionen
Genre: Drama, Gangster, Liebe
Darsteller: Zhao Tao, Fan Liao, Zheng Xu
Regie: Jia Zangh-Ke
Kinostart: 28.02.19
In jeder Geschichte, die wirklich was taugt, gibt es ein mehr oder weniger subtiles, mehr oder weniger unterschwelliges Geflecht von scheinbar unscheinbaren Details, die in dieser ihrer Unscheinbarkeit zugleich auf etwas Wesentliches verweisen; die wie aus einer Untersicht, wie im Vorbeigehen auf Nebenpfaden zu schattieren, zu vertiefen, vielleicht sogar zu konterkarieren helfen, was an der offensichtlichen Oberfläche verhandelt wird.
Es war just im „Wendejahr“ 1989, als ein Film aus Fernost auch im Westen für eine gewisse Furore sorgte und sich bald zum Genreklassiker des Hongkong-Kinos mauserte: John Woos THE KILLER. Eine überstilisierte Gangsterballade, eine Actionoper der großen Posen und virtuosen Todesballette. Nichts, wovon Jia Zhang-Kes ASCHE IST REINES WEISS weiter entfernt sein könnte. Und doch unterlegt der Regisseur seinen Film an exponierter Stelle mit Sally Yehs Titelsong aus dem Soundtrack zu THE KILLER.
ASCHE IST REINES WEISS ist ein Film über das, was immer gleich bleibt, selbst inmitten radikaler Veränderungen. Über 15 Jahre erstreckt sich die Handlung. In ihrem Mittelpunkt: Quiao, die schöne Geliebte von Bin, dem Gangster, der irgendwo in der tiefsten chinesischen Provinz von einer Mah-Jongg-Bar aus sein Regime führt. Kein schlechtes Leben für Quiao. Bis zu dem Tag, an dem die Ereignisse sich überschlagen. Bis Quiao, aus Loyalität, aus Liebe, für Bin ins Gefängnis geht. Ganze fünf Jahre. Entlassen wird sie in ein Land, in dem absolut nichts mehr so ist, wie es war. Gilt auch für Bin.
ASCHE IST REINES WEISS beobachtet Quiao – und sieht dabei mit ihr, durch ihre Augen und somit aus einer Perspektive gesellschaftlicher Untersicht, von den Nebenpfaden des gesellschaftlichen Abseits aus, dieses seltsame Land, oder besser: dieses Phänomen eines Kapitalismus, der gerade unter kommunistischer Knute irrsinnig wuchert und raubtierhaft um sich beißt. Ein Umlauferhitzer Richtung Zukunft, in dem aufs Frostigste alles Zwischenmenschliche zu Asche verbrennt.
Jia Zhang-Ke stellt das nicht aus. Kein Fingerzeig, kein lauter Ton, keine offenkundige Anklage sind zu finden. Keine großen Emotionen oder Gesten. Oper war gestern. Und statt Todesballetten gibt es schleichendes Siechtum. Zugleich aber wirkt in der Trostlosigkeit der Handlung, in der Spröde der Bilder – unter der Oberfläche also – eine inwendige Kraft. Wie in jeder Geschichte, die was taugt.
[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.