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Atlantide

Er hat kein knallrotes Gummiboot

Es rauschte wohl nicht unbedingt baffe Verblüffung im Blätterwald, als Regisseur Yuri Ancarani enthüllte, daß ATLANTIDE „ohne Drehbuch begann“; vielmehr dürfte die Frage gewesen sein: Wann genau soll sich dieser Zustand je geändert haben? Verzichtet sein Dokudrama doch auf nennenswerte Dialoge (das wenige Gesprochene setzt inhaltlich keine Duftmarke) und ignoriert Charakterentwicklung ebenso wie eine Geschichte. Es geht halt um Daniele, dem kaum Intelligenz aus dem kantigen Gesicht schießt, während er einem Traum nachjagt: Sein Speedboot aufzumotzen, um bei Wettrennen durch Venedigs Lagune zu siegen.

Aus Ancaranis Inszenierung wabert Testosteron, sie weidet sich an den stets oberkörperfreien Jungs, degradiert die sporadisch auftauchenden Damen zur Staffage. Was könnte die Ladyschaft in jenem Universum indes auch groß beitragen? Danieles phlegmatische Freundin: eine Schulabbrecherin, Nägelkauerin, Langschläferin, welche sein Desinteresse an Kuscheln und Knutschen beklagt.

So treibt primär der wummernde Soundtrack das marode Handlungsgerüst vor sich her und gleichzeitig einen Lautstärkekeil in den visuellen Rausch: Ancarani komponiert berückende Bildergewalten zwischen übersteigertem Pastellton, artifizieller Postkartenaufhübschung und atemberaubendem Neon Noir, fasziniert immer dann, wenn darunter Melancholie und Sehnsucht aufblitzen. Er Ahnungen dessen gewährt, was Daniele & Co. – von dickhosigen Machoposen zugekleistert – umtreibt. Ob nun aber überfließende Augen, früh kapitulierende Trommelfelle und Emotionsvermutungen genügen, um die Sache mit dem Drehbuch auszubügeln?

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...