Das skandinavische Kino steht in seiner Blüte. Und wie es sich für kluge Botaniker schickt, wird sich auf der Blumenwiese nicht faul und gefällig der Bauch gekitzelt, die nordischen Filmemacher legen eher nach, verblüffen mit neuen Gesichtern, ungewöhnlichen Erzählstrukturen und - man muß ja das Rad nicht neu erfinden - weiterhin mit großen Geschichten. Dafür steht das Debüt des Norwegers Joachim Trier.
Er erzählt verschachtelt, in Rückblenden und Parallelbildern, und wenn es not tut, auch mal mit lakonischer Off-Stimme von einer hart geprüften Freundschaft. Hart geprüft ist die Freundschaft der jungen Autoren Erik und Phillip vor allem deshalb, weil das Leben eben keine Schablone bereithält, die vorgibt, wie was wann wo hätte geschehen sollen. Und so ist die erste Sequenz, in der beide ihre Bücher gleichzeitig in den Postkasten werfen, um umgehend bei Verlagen zu punkten und schließlich zwei Klassiker zu publizieren, eine schöne, wild geschnittene Träumerei und doch bald als postpubertäre Utopie enttarnt. Schon da spürt man, daß sich über das Leben der Jungen ein Schatten legen muß. So kommt es, daß Erik eine glatte Absage erhält, der sensible Phillip aber veröffentlichen darf und zum Bussi der norwegischen Kulturschickeria wird. Was zu viel für ihn ist, für ihn, den stets Zweifelnden, den verrückt Verliebten. Phillip bricht psychisch zusammen, er kommt in eine Anstalt. Und dann dreht sich die Lebensschraube weiter - Eriks Roman "Prosopopeia" wird veröffentlicht, die Kritik ist dennoch vernichtend: "Sprachphantasien ohne Zusammenhang!"
Filmphantasien mit Tiefgang sind hingegen Trier zu bescheinigen, denn wie er im Häppchentakt eine berührende Geschichte um Orientierungslosigkeit, um die Suche nach Stabilität, über Zerbrechlichkeit entfaltet, ist schlichtweg berückend. Effizient auch, weil sich Trier nicht als erklärende Plaudertasche entpuppt, was sein Werk doch von zahlreichen Debüts unterscheidet. Er skizziert erzählökonomisch und dabei wirkungsvoll, wie weh es tut, wenn ein enger Freund zumacht, wie überzogener Druck einem die Luft nehmen kann.
Trier packt es trotz anthrazitfarbener Seelenstimmung, die Schicksale seiner Helden be-rührend, aber nicht beklemmend, manchmal gar leicht und humorvoll zu erzählen. Erwachsenwerden schmerzt bisweilen, dazu gehört eben auch, daß Phillip erkennen muß, daß Aktionismus noch keine Liebe retten konnte.
Originaltitel: REPRISE
Norwegen 2006, 103 min
Verleih: MFA
Genre: Drama, Erwachsenwerden
Darsteller: Espen Klouman H¿iner, Anders Danielsen Lie
Regie: Joachim Trier
Kinostart: 30.08.07
[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.