Am Anfang ist da eine mondbeschienene Seeidylle – und es dauert keine Minute, bis vier Leichen aus der Tiefe an die Wasseroberfläche auftauchen. Toll, dieser knappe Einstieg! Der Tenor des Filmes ist klar. Lakonisch folgt der Schnitt auf Thomas Craven, Witwer und altgedienter Inspektor der Bostoner Mordkommission, der mit rührender, kaum gezähmter Vorfreude den Besuch seiner Tochter Emma erwartet. Doch das Wiedersehen mit dieser ist ein kurzes. Emma wird vor den Augen ihres Vaters erschossen. Und wenn auch alles darauf hindeuten mag, daß eigentlich Thomas Opfer des Mordanschlages hätte werden sollen, treibt diesen ein unbestimmter Instinkt dazu, eine andere Variante in Betracht zu ziehen.
Man mag ja von Mel Gibson halten, was man will – als Cop Thomas Craven ist er eine Idealbesetzung. Es gab mal eine Zeit im Kino, in der es mehr zu sehen gab von solchen zerfurchten, vom Leben gezeichneten Gesichtern. Als man sich noch nicht derartig davor scheute, etwa einen Film wie Martin Campbells AUFTRAG RACHE auch mit den dazu nötigen Physiognomien auszustatten. Gibson ist einfach perfekt als Schmerzensmann Thomas Craven, der einem bis in die höchsten Wirtschafts- und Politikerkreise reichendem Komplott aus Korruption, Erpressung und Mord auf die Spur kommt. Der begreifen muß, daß auch seine Tochter in dieser Schattenwelt der Macht zu verorten war. Und der schließlich alles Taktieren beiseite läßt, wohlmeinende Warnungen ebenso ausschlägt wie schmierige Appelle an die Vernunft oder seine Staatsbürgerpflichten. Craven geht, wissend, daß er nichts mehr zu verlieren hat, seinen Weg. Der ist so bleihaltig wie desillusionierend.
Martin Campbell, der es beim Bond-Abenteuer CASINO ROYALE noch im XXL-Format krachen ließ, gönnt sich mit AUFTRAG RACHE ein hochkonzentriertes Action-Kammerspiel. Einen Verschwörungsthriller zumal, in dem kraftvoll jene Rigorosität und Konsequenz waltet, die man bezüglich derartiger Sujets seit den 70er Jahren ja kaum noch zu sehen bekommt. Es wirkt fast, als hätte sich der Regisseur damit einen Wunsch erfüllt. Nämlich jene, wiederum in den 80er Jahren ebenfalls von ihm inszenierte, BBC-Miniserie, die AUFTRAG RACHE zugrunde liegt, noch einmal in komprimierterer, stringenterer Form auf die Leinwand zu bringen: als hartes, intelligentes Genrekino fürs erwachsene Publikum.
Originaltitel: EDGE OF DARKNESS
USA 2010, 114 min
FSK 16
Verleih: Wild Bunch
Genre: Thriller
Darsteller: Mel Gibson, Ray Winstone, Danny Huston
Regie: Martin Campbell
Kinostart: 11.03.10
[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.