D 2017, 95 min
FSK 12
Verleih: NFP
Genre: Drama
Darsteller: Kim Riedle, Juliane Köhler, Leonie Wesselow
Regie: Mia Spengler
Kinostart: 31.05.18
Spraygetannte, heftig blondierte Frauen mit getunten Körpern und dem gewissen Flittchenschick nötigen selbst denen, die sie als gehirnamputierte Tussis abtun, eine gewisse Achtung ab. Denn jeder weiß, daß harte Arbeit dahinterstecken muß, diese Inszenierung zu pflegen. Mia Spengler kürt in ihrem Langfilmdebüt Angie, ein ebensolches D-Promi-TV-Sternchen, zur Heldin. Und dank einer großartigen Kim Riedle, die sämtliche Facetten eines Boxenluders in spe beherrscht, gelingt Spengler das kleine Wunder einer deutschen Tragikomödie mit Tiefe und Herz, die an keiner Stelle aus dem gut gesetzten Rahmen fällt. Dialoge, Ausstattung, Locations, sämtliche Nebendarsteller sind glaubhaft und offensichtlich gut recherchiert. Und genau das braucht es auch, um eine solche Frauenfigur glaubhaft auszuleuchten, ohne eine bloße Karikatur zu entwerfen oder ins Triviale abzurutschen.
Angies Plan, ihrer Karriere einen „Boost“ zu geben, läuft jedenfalls gerade schief. Wollte sie doch eigentlich aus der Drogenklinik direkt ins Dschungelcamp. Aber jetzt hat ihr Manager tatsächlich seiner eigenen Frau ein Kind gemacht und die Daueraffäre mit Angie auf Eis gelegt. Auch die ganzen Süüüüüßen, die in guten Zeiten – Bussi rechts und Bussi links – an ihrer Seite waren, haben keinen Platz auf der Couch frei. So landet Angie, abgebrannt, wie sie ist, bei ihrer Mutter im Heimatkaff. Und muß feststellen, daß sie im Rausch ihrer verkoksten Nächte Wesentliches verpaßt hat. Ihre Schwester Kiki leidet an Epilepsie, und es gibt auch ansonsten so einige familiäre Baustellen.
En detail beobachtet Spengler dabei die Mechanismen, die zwischen den Frauengenerationen ablaufen. Sie vermögen es kaum, sich gegenseitig Anerkennung und Wärme zu schenken und suchen sie deshalb permanent im Außen. Selbst in den schwärzesten Momenten kann Angie ihr Scheinwerferlächeln anknipsen, Haltung und Fassade bewahren. Gelernt ist gelernt. Hochgerüstet in ihrer Uniform, mit High Heels und Push-Up-Dekolleté, ist sie unantastbar, spult eine Rolle ab, die perfekt kalkuliert auf den Skandal setzt. Die Vermarktbarkeit eines Images ist das Thema unserer Zeit.
Und selbst wenn wir mitleidig auf die Angies dieser Welt blicken, jonglieren wir alle mit denselben Bällen, nur in vermeintlich anderen Kategorien.
[ Susanne Kim ] Susanne mag Filme, in denen nicht viel passiert, man aber trotzdem durch Beobachten alles erfahren kann. Zum Beispiel GREY GARDENS von den Maysles-Brüdern: Mutter Edith und Tochter Edie leben in einem zugewucherten Haus auf Long Island, dazu unzählige Katzen und ein jugendlicher Hausfreund. Edies exzentrische Performances werden Susanne als Bild immer im Kopf bleiben ...