Banksy, namhafter Anonymus der internationalen Street-Art-Szene, bedient sich seit Jahren nach Belieben bei den großen und kleinen Mauern dieser Welt, um auf ihnen vertrackte Botschaften zu hinterlassen: fein ausgearbeitete Schablonengraffiti von knutschenden Polizisten, haushohe Fassadentattoos von devoten Dienstmädchen, die Dreck unter imaginäre Teppiche kehren, oder markenzeichenhafte Wandbilder von Kampfhubschraubern mit rosa Schleife im rotierenden Haar. Kein Steinchen aus dem Bild-Text-Baukasten der Postmoderne, kein Disneyland und kein Guantanamo ist vor Banksys kreativem Zugriff sicher. Und jetzt hat er sich auch noch ins Kino geschlichen – unter dem fadenscheinigen Vorwand eines Dokumentarfilms.
Sie geht also weiter, die freundliche Übernahme öffentlicher Räume. Und zwar anders als erwartet. Oder zumindest anders, als sich der subversionserfahrene Kunstfreund das gedacht haben mag. Eine der ersten allgemeinen Verunsicherungen besteht nämlich in Bezug auf die Genesis dieses Filmprojekts. Vorgestellt wird uns in diesem Zusammenhang ein Herr Thierry Guetta aus Los Angeles. Der Backenbartträger mit wirrem Migrationshintergrund macht ursprünglich in Textilien, findet jedoch in der filmischen Street-Art-Dokumentation seine eigentliche Bestimmung. Fortan klebt Thierry der Szeneprominenz an den Hacken, steht Schmiere für Space Invader oder schleppt die Leiter für Shepard Fairey, die Kamera stets im Anschlag. Ein Anruf führt ihn schließlich zu Banksy, der dem angeblichen Exilfranzosen grünes Licht für ein Filmporträt gibt – das allerdings gar nicht zustande kommt.
Spätestens an diesem mausetoten Punkt, mutwillig fehlgeleitet vom Erzähler und desinformiert von allerhand knisternd-authentischen Filmschnipseln, wird einem klar, daß man Opfer einer Rochade geworden ist: Banksy übernimmt die Regie, Thierry die Hauptrolle. Los geht eine beschwingte Reflexion über die Mechanismen des Kunstbetriebs, und wie er sich sein „Eigentum“ von der Straße zurückholt. Beim Mitschwingen darf man ausdrücklich auf komische Gedanken kommen. Zum Beispiel über den erstaunlich hohen Wahrheitsgehalt einer gefälschten Dokumentation. Oder warum es so ein Vergnügen bereitet, sich einfach einmal richtig unterwandern zu lassen.
Originaltitel: BANKSY – EXIT THROUGH THE GIFT SHOP
GB/USA 2010, 87 min
FSK 6
Verleih: Alamode
Genre: Dokumentation, Experimentalfilm
Darsteller: Banksy, Space Invader, Zeus, Shepard Fairey
Stab:
Regie: Banksy
Musik: Geoff Barrow
Kinostart: 21.10.10
[ Sylvia Görke ]