Manchmal lohnen sich das Hoffen und Warten. So brauchte auch dieses Kino gewordene Märchen aus einem noch immer exotischen Filmland eine kleine Weile, um nun doch auf hiesige Leinwände zu kommen. Es wäre allerdings auch zu schade gewesen, gilt es doch, eine ungewöhnliche, berauschend photographierte, anrührende und dazu eine vom Leben selbst geschriebene Geschichte erzählt zu bekommen.
Die vom Jungen Nong Toom nämlich, der seine Kindheit in der thailändischen Provinz verbringt. Schon früh verspürt Nong Toom, daß er ganz anders als die anderen Jungs fühlt. Während die Rabauken mit kriegerischem Geschrei ins Wasser hechten, hüpft Nong Toom dezenter ins kühle Naß: Achtung, hier kommt die Prinzessin. Es ist natürlich seine Mutter, die früh das Sanfte in ihrem Jungen sieht und versucht, ihn mit viel Verständnis zur Selbstverteidigung zu erziehen. Und so entdeckt der jugendliche Nong Toom eine Sportart, die für eine zartfühlende Seele eigentlich ausgeschlossen scheint: Kickboxen. Der hart trainierende Nong Toom ist gut, sehr gut sogar, die ersten Siege stellen sich ein. Sein Trainer ist begeistert, er mag den ungewöhnlichen Jungen. Aber auch er zeigt sich überrascht, als er eines Tages Nong Toom im Ring so sieht, wie ihn der Rest der Welt noch nicht gesehen hat: geschminkt, mit wehenden Tüchern drapiert, feminin, sehr hübsch dabei. Nong Toom übersteht den ersten Spott seiner Gegner, und sein Trainer hat für ihn schnell ein bißchen Geld und einen guten Rat parat: er soll sich doch bitte für seine Kämpfe wasserfestes Make Up kaufen, das sieht nicht, wegen schwitzen und so ...
Nong Toom wird landesweit populär, verdient richtig Geld, mit dem er auch seine einfache Familie unterstützt. Und noch weiß niemand, wozu er sich diese, hier durchaus sehr hart inszenierten Kämpfe aufbürdet: er braucht das Geld für seine Geschlechtsumwandlung.
Naiv, märchenhaft, traumwandlerisch und schon ziemlich sexy gelang dem Regieneuling Ekachai Uekrongtham diese auch mit Humor erzählte Geschichte über einen ungewöhnlichen Menschen, der Außergewöhnliches tut, um seinen Frieden zu finden. Solch eine Geschichte kann sich wahrscheinlich auch nur an einem Ort wie Thailand zutragen, wo es schon seit jeher eine kulturell verwurzelte und zum Rest der Welt differierende Sicht auf geschlechtliche Zugehörigkeit gibt. Ekachai Uekrongtham gelingen bisweilen Referenzen an schräge und dabei immer liebenswerte Charaktere Almodóvarscher Couleur, er scheut sich auch nicht vor einer gehörigen Dosis Trash. Etwa dann, wenn Nong Toom in Japan zum Geldverdienen gegen eine Fleischklops gewordene, Zähne fletschende Muskelfrau im Ring antritt und so ordentlich zulangt, daß sprichwörtlich die Schwarte kracht.
Die anrührenden, da eher stillen Momente sind, wenn der schöne Boxer am Ende eines Kampfes den Besiegten mit einem Kuß verabschiedet. Nong Toom mag keine Gewalt, sieht aber in diesem Sport, mit dem in Asien durchaus Karriere zu machen ist, seine Chance, seine einzige. Der junge Sportler Asanee Suwan spielt Nong Toom mit Hingabe, einer bezirzenden Anmut, irgendwo zwischen Unschuld und unbändigem Siegeswillen. Dann darf er auch so endgültige wie kluge Dinge sagen, daß es das Schwierigste sei, bei allem nicht zu vergessen, wer man eigentlich sein will. Spätestens da entfährt dem Betrachter ein Seufzen, da darf geweint werden, da darf - durch diese Allgemeingültigkeit des Anspruchs auf Glück - auch das eigene hinterfragt werden.
Hier wird nicht viel mehr als Offenheit eingefordert, für andere Lebensmodelle, für den Frohsinn, die echte Liebe und - bei diesen Bildern, dieser Hauptfigur, diesem perfekt arrangierten Kampfsportballett - für die reine Schönheit.
Originaltitel: BEAUTIFUL BOXER
Thailand 2003, 118 min
Verleih: MFA
Genre: Schwul-Lesbisch, Schicksal, Sport
Darsteller: Asanee Suwan, Sorapong Chatree
Regie: Ekachai Uekrongtham
Kinostart: 25.08.05
[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.