• Meinungen

Beijing Bicycle

Ein Königreich für ein Fahrrad!

Als sein Fahrrad gestohlen wird, bricht für den 16jährigen Guei eine Welt zusammen. Er ist vom Land nach Peking gekommen, arbeitet als Fahrradkurier. Sobald er 600 Yuan verdient hat, erhält er einen realen Lohn und vor allem ein eigenes Rad - ein "Fahrzeug", das in China seit langem als Symbol für Pfiffigkeit und Fleiß steht! Doch kurz bevor er das Geld zusammen hat, schlägt ein Fahrraddieb zu. Guei verpaßt einen wichtigen Auftrag und soll gekündigt werden. Er ist am Boden zerstört, doch sein Chef zeigt Gnade: findet Guei sein Rad, darf er weiterarbeiten. Die Suche führt zum Schüler Jian, doch der ist nicht willens, "sein" Rad abzugeben. Er braucht es, um in seiner Clique akzeptiert zu werden, um seiner Freundin zu imponieren. Außerdem ist das Rad sein größtes Geheimnis, er hat es auf dem Schwarzmarkt gekauft. Das Geld dafür hat er seinen Eltern gestohlen ...

Ein enges Geflecht von Schuld strickt Regisseur und Autor Wang Xiaoshuai um einen scheinbar harmlosen Gegenstand und die jungen Helden Jian und Guei. Der Konflikt zwischen wohlhabender und schwer arbeitender Jugend greift sicher weltweit, doch im China der Gegenwart bedeutet er einen Riß in der Gesellschaft.

Ähnlich wie Vittorio De Sica’s FAHRADDIEBE ist BEIJING BICYCLE das Zeugnis eines ungewöhnlichen Alltags. Er ebnet mit seinen stark überzeichneten Charakteren den Weg für unseren Gerechtigkeitssinn, wirft uns in einen inneren Konflikt. Während sich Bilder einer ungewöhnlichen Großstadt zu einem poetischen Wunder verdichten, pulsiert im Kopf unsere Wut ob der himmelschreienden Ungerechtigkeit, die den schönen, wortarmen Guei ein ums andere Mal straucheln und fallen läßt. Doch stets richtet er sich stoisch wieder auf, macht seine Gegner - die Gang um den arroganten Jian - nur noch wütender. Wenn Guei sein Fahrrad mit dem Körper bedeckt, um es vor den dummdreisten Gören zu schützen, dann glaubt man ihm jede Träne. Und wenn schließlich ein Sprallo aus der Clique Gueis Fahrrad demoliert, dann schmerzt das nur noch.

Ein leiser Film, der im Zuschauer widerhallt und seine kraftvolle Stimme erhebt.

[ Roman Klink ]