Originaltitel: MY SISTER’S KEEPER

USA 2009, 106 min
FSK 12
Verleih: Warner

Genre: Drama

Darsteller: Abigail Breslin, Cameron Diaz, Jason Patric

Regie: Nick Cassavetes

Kinostart: 27.08.09

1 Bewertung

Beim Leben meiner Schwester

Familienpflichten in goldenem Herbstlicht

Familie – das war immer das Thema des Regisseurs John Cassavetes (1929–1989). Expliziter in EINE FRAU UNTER EINFLUSS oder LOVE STREAMS. Unterschwelliger, gleichsam präsent, etwa in MORD AN EINEM CHINESISCHEN BUCHMACHER oder GLORIA. Im übrigen allesamt Meisterstücke, aber das nur nebenher. Hier geht es nämlich um Johns Sohn, Nick Cassavetes. Und auch er, der Familientradition treu bleibend, bleibt als Regisseur in seinen Filmen, expliziter oder unterschwelliger, dem Thema Familie treu. Das war so im aufregend wilden Frühwerk ALLES AUS LIEBE (nach einem Drehbuch des Vaters), das war so in JOHN Q – VERZWEIFELTE WUT oder ALPHA DOG.

Nun also BEIM LEBEN MEINER SCHWESTER. Familie Fitzgerald, das sind Mutter Sara, Vater Brian, Sohn Jesse und die Töchter Kate und Anna, die Jüngste. Kate hat seit ihrem zweiten Lebensjahr Leukämie – und ohne Kates Krankheit, das muß man so sagen, wäre Anna nicht auf der Welt. Das Knochenmark nämlich, das Kate braucht, spendet Anna. Jahr für Jahr, aus Liebe – und weil sie es nicht anders kennt. Und so brutal das klingt: Dafür wurde Anna gezeugt.Doch der Krebs läßt sich nicht vertreiben. Und eines Tages, nach elf Jahren Kampf, nach elf Jahren zwischen hoffnungsvollem Bangen und abgrundtiefem Verzweifeln, sagt Anna „Nein!“ Sie verweigert sich. Und sie beauftragt einen Anwalt, der vor Gericht zieht, um dort Annas Nein, ihre medizinische Unabhängigkeit durchzusetzen. Für die Familie eine Zerreißprobe.

Ein wuchtiger, ein emotionaler, ein Cassavetes-Stoff. Und es gibt auch solche Cassavetes-Momente. Szenen dieser Lebensverrücktheit, dieser schmerzhaften Lebensbejahung und dieses Leidens an der Sterblichkeit, die Wut darüber. Das berührt. Die Crux: Wäre Nick Cassavetes nicht der Sohn seines Vaters, man hätte BEIM LEBEN MEINER SCHWESTER die Schwächen nachgesehen. Das Hollywood-Überhöhen, die Bigger-Than-Life-Posen mit Geigen und goldenem Herbstlicht. Das Schwanken zwischen echtem Ergreifen und kalkulierten Überrumpeln. Die Hollywood-Angst vorm authentischen Schmerz.

Symptomatisches Beispiel: Cameron Diaz. Die gibt Mutter Sara. Und in dieser Rolle ihr Bestes. Was nicht reicht. Das Spiel entäußert sich nicht, dringt zu keinem Kern, keinem Brennpunkt vor. Und die Regie eben auch nicht. Anders formuliert: Der Film rührt zu Tränen, die schon beim Abspann getrocknet sind. Von einem Cassavetes erwartet man mehr.

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.