Er ist klein, korpulent, höflich und schüchtern. Ein nicht mehr ganz junger Junggeselle, der daheim bei seiner Mutter lebt. Und er ist ein Genie im Tonstudio. Ein Künstler, der Klänge zu Kompositionen verschmilzt. Der mit Sounds Atmosphären und Effekte schafft, die, über Filmbilder gelegt, selbst noch dem lausigsten Kinomachwerk Wirkung verleihen. Was der Grund ist, warum es den introvertierten Durch-und-durch-Briten Gilderoy aus seiner verregneten Heimat ins sonnige Italien verschlägt. Es gilt, Schundproduzent Francescos neuestes Opus tontechnisch zu veredeln.
Was für ein kleiner, spröder und perfider Film. Was für eine schwarzhumorige Schrulligkeit. Was für ein Nostalgietrip in die Alptraum-gruft. Und was für eine kluge Reflexion über die Bilder, die nur im Kopf entstehen. Also über jene Bilder, in denen der wahre Horror liegt. Peter Stricklands BERBERIAN SOUND STUDIO führt ins Jahr 1976. In eine Dekade, in der das italienische Kino so einige Blüten kruder Schönheit oder, wenn man so will, erlesener Scheußlichkeit trieb. Und so sind es Bilder voller Sex und Gewalt, denen sich der kunstsinnige Gilderoy ausgesetzt fühlt. Ein Horrorfilm ist es, der hier veredelt werden soll. Es geht um Frauen, die im Mittelalter als Hexen gequält und getötet werden, um dann, einem Fluch sei Dank, in der 70er-Jahre-Gegenwart aufzuerstehen und ihrerseits mächtig zu quälen und zu töten.
Von diesem Film zeigt BERBERIAN SOUND STUDIO keine einzige Szene. Stattdessen Gilderoy, der mit konzentriertem Blick gen Leinwand den dortigen visuellen Sex-und Gewaltexzessen akustischen Schliff gibt. Indem er Auberginen zermanscht, Karotten zerbricht oder Melonen zerhackt. Dann die Regler am Mischpult austariert, Tonspuren überlagert – ein Mann und sein Handwerk, auf das BERBERIAN SOUND STUDIO einen liebevollen Blick wirft. Böse schielen, wie ein garstiger Bastard aus einschlägigen Werken, kann dieser Film aber auch: Ein Hexenspuk scheint bald in diesem Tonstudio umzugehen. Die Wahrnehmungen narrend, diffuse Ängste auslösend. Gilderoy fühlt sich Feindseligkeiten ausgesetzt, ist angewidert von dem Film, an dem er arbeitet. Hören und Sehen driften auseinander, so wie Traum und Realität sich vermischen. So weit, daß man am Ende dieses Films durchaus fragen mag, was der jetzt eigentlich sollte. Aber auch die mysteriösen Geräusche, die man selbst nach dem Abspann immer noch zu hören meint, werden keine Antwort geben.
Originaltitel: BERBERIAN SOUND STUDIO
GB 2012, 92 min
FSK 12
Verleih: REM
Genre: Experimentalfilm, Drama, Psycho
Darsteller: Toby Jones, Cosimo Fusco, Suzy Kendall
Regie: Peter Strickland
Kinostart: 13.06.13
[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.