D 2017, 87 min
FSK 0
Verleih: Pandora

Genre: Dokumentation

Regie: Erik Lemke

Kinostart: 29.11.18

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Berlin Excelsior

Der Lack ist ab

Ein in den Ausmaßen einer Plattenbauwohnung gigantisch wirkender Gummibaum muß verschnitten werden, in den anderen Wohnparzellen wird „gegymt“, geknutscht und geraucht. Die Fensteraugen des Berliner Excelsior-Wohnkomplexes spiegeln sich im Lichte der Tages- und Jahreszeiten. Sie wirken ein wenig beschlagen und müde. Wie auch die meisten Bewohner, die die Filmemacher Erik Lemke (selbst Bewohner des Hauses) und André Krummel mit ihrer Kamera festhalten. Aber da ist auch dieses unstillbare Bedürfnis, gesehen zu werden, Erfolg zu haben, Likes zu bekommen.

Auf seinem Profil auf der Chatplattform PlanetRomeo preist sich Michael als 33jähriger an, dabei können weder sein durchtrainierter Oberkörper noch die blondgefärbten Haare darüber hinwegtäuschen, daß er locker über 40 sein muß. Aber er will es noch mal wissen, an bessere Zeiten als gefragter Gay-Escort anknüpfen. Genauso wie Claudia, das ehemalige Showgirl. Sie arbeitet gerade in der hauseigenen Bar „Solar“, ist aber immer auf der Suche nach dem nächsten Shooting, auf dem sie dann tapfer gegen das unbarmherzige Licht am Set anlächelt.

Lemke und Krummel wählen gezielt oft genau diese Momente der Selbstdarstellung und arrangieren streng wirkende Bildkompositionen, die jede Falte, jede nervöse Zuckung zur Geltung bringen. Immer wieder auch Aufnahmen vom maroden Charme des Stahlbetonbaus, welcher in den 60ern für modernes Wohnen stand. Und jetzt wie in einer Art Zeitkapsel feststeckt. Den Pool gibt es schon lange nicht mehr, und die „Solar Bar“ verströmt einen aufgesetzten, fast billigen Schick. Alles und alle wirken überschminkt und erinnern an Zeiten, als Schwarzlicht in der Diskothek der letzte Schrei war.

Aber wer will schon hören, daß der Lack ab und die große Kohle nicht mehr zu machen ist? Norman hat seinen Job an den Nagel gehängt, um mit seiner Agentur „ChangeU“ als Life Coach endlich durchzustarten: „1600 Netto als Erzieher, das müßt Ihr Euch mal reinziehen! Du machst ’ne wichtige Sache und keiner kriegt’s mit.“ So grüßt er seine Facebook-Blog-Gemeinde und leiert Mama weinend Geld aus den Rippen, wenn es wieder mal nicht reicht. Aber eines Tages muß es klappen mit dem Cabriolet als Firmenwagen.

Bis dahin: funktionieren, optimieren, verdrängen und Ritalin einschmeißen. Gerne auch ein paar alte Geisterseelen wegpendeln.

[ Susanne Kim ] Susanne mag Filme, in denen nicht viel passiert, man aber trotzdem durch Beobachten alles erfahren kann. Zum Beispiel GREY GARDENS von den Maysles-Brüdern: Mutter Edith und Tochter Edie leben in einem zugewucherten Haus auf Long Island, dazu unzählige Katzen und ein jugendlicher Hausfreund. Edies exzentrische Performances werden Susanne als Bild immer im Kopf bleiben ...