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Besessen

2 Paare - 2 Jahrhunderte - 1 Geheimnis

Ein Blick genügt und Henry Ash - Queen Victorias Hofpoet auf dem Zenit seines Schaffens - ist von Christabel LaMotte und ihren treffsicheren Wortspielen hingerissen. Sie ist ebenfalls Dichterin, wenngleich weniger berühmt und auch sofort angetan von dem leidenschaftlichen, jungen Mann, als sie sich auf einer Abendgesellschaft kennenlernen. Henry Ash ist verheiratet, Christabel liiert mit der Malerin Blanche. Die Moral der viktorianischen Zeit erschwert jeden weiteren Kontakt. Doch schon wenig später erreicht Christabel der erste feurige Liebesbrief.

140 Jahre später erforscht der junge amerikanische Stipendiat Roland Mitchell das Schaffen des Dichters. Er geht in staubigen Archiven spannenden Fragen nach: "Wieviele Gläser Stachelbeermarmelade kochte Ashs Frau Ellen 1815 ein?" Als ihm der Liebesbrief in die Hände fällt, begreift er, welch sensationellen Fund er gerade gemacht hat. Wußte doch bisher niemand etwas von einer Affäre des Poeten. Roland forscht weiter und begegnet der disziplinierten Akademikerin Maud Bailey, die nicht nur das Leben und Werk der Dichterin Christabel LaMotte erforscht, sondern zudem eine Großnichte der von ihr verehrten Poetin ist. Entsprechend entrüstet weist sie Rolands Behauptung zurück. Doch das Schriftstück bringt beide auf eine Fährte, und schon bald muß Maud eingestehen, daß Ash und LaMotte tatsächlich eine Affäre hatten, leidenschaftlich und folgenschwer.

Neil LaBute hat großen Ehrgeiz. Nach erfolgreichen Theaterstücken und der Filmsatire NURSE BETTY wagt er sich auf melodramatisches Neuland. POSSESSION ist Kino der Gefühle, wie es im Buche steht, wobei Poesie und Literatur als rätselhafte Kristallisationen von Emotionen und Erfahrungen Dreh- und Angelpunkt dieser bewegenden Geschichte sind.

Traumhaft, wie LaBute die Dickköpfe Maud und Roland als unfreiwilliges Paar auf die Spur der Dichteraffäre schickt, wie sie Hinweise und verschlüsselte Geständnisse, ja sogar Beschreibungen heimlicher Treffen in den Zeilen der Poeten ausmachen können. Vers um Vers kommen sie sich dabei selbst näher. Doch die Liebe ist launisch und schwer zu bändigen.

Die größte Überraschung jedoch ist wohl die exquisite Darstellerriege. Schon sie allein macht LaButes Versuchsanordnung zwischen Kitsch und Klasse sehenswert.

[ Roman Klink ]