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Bethlehem

Shalom, Habibi – unter allerbesten Feinden

Von wegen Stern der Weisen. Wenn es leuchtet über Bethlehem, wird man vor allem an Mündungsfeuer denken, vielleicht auch an den Widerschein eines Bombenattentats auf israelischer Seite – Jerusalem ist ja nicht weit. Dieses Leuchten durchzuckt die Nachrichtenbilder der letzten Jahrzehnte in einer solchen Regelmäßigkeit, daß einem die Kriegs- und Krisengebiete vor den Augen verschwimmen. Erst mit Gesichtern und Geschichten, und seien sie fiktiv, läßt sich das Abstrakte wieder fassen. PARADISE NOW war so ein Versuch – ein poetisch-lakonischer Vorstoß in die besetzten Gebiete. Auch BETHLEHEM wagt sich in die Konfliktregion, und zwar getarnt als Agententhriller.

In seinem Spielfilmdebüt, das in Israel mit Preisen überschüttet und zum Nationalkandidaten für die Academy Awards gekürt wurde, erzählt Yuval Adler von einer Männerbeziehung, in der sich sinnbildhaft die Dilemmata des Nahostkonflikts brechen. Razi, israelischer Geheimdienstmann, und Sanfur, ein palästinensischer Teenager, pflegen so etwas wie eine Freundschaft. Daß die vor zwei Jahren bei einem Verhör nach allen Spionageregeln gezielt angebahnt wurde, stellt sich erst nach und nach heraus. Die beiden mögen sich – und trauen sich doch kaum über den Weg. Denn wenn Razi den Jungen nach seinem Befinden fragt, will er eigentlich Informationen über dessen großen Bruder Ibrahim, der als Speerspitze der al-Aqsa-Brigaden im Untergrund Anschläge vorbereitet. Und wenn Sanfur sich bei den konspirativen Treffen das eine oder andere aus der Nase ziehen läßt, sucht er eigentlich nach väterlicher Anerkennung, die ihm der eigene Vater verweigert.

Entlang an dieser ambivalenten Zweckfreundschaft entwickelt Adler eine sich zuspitzende, lebensgefährliche Ereigniskette, in der Geben und Nehmen, edle Motive und schnödes Kalkül, Hammas-Radikale und Behördenwillkür, Teenagerfrust und Terrorangst so durcheinander geraten, daß von moralischer Orientierung keine Rede mehr sein kann. Filmisches Neuland ist dabei indes nicht zu betreten, denn die Genremuster, freilich ein bißchen verdreht und verwandelt, diktieren Tempo und Bilder. Aber dahinter wird es interessant, nämlich dort, wo dieser Thriller das Drama seiner politischen Voraussetzungen formuliert: In einer grenzenlosen Kultur des Mißtrauens erfüllen sich böse Prophezeiungen ganz von selbst.

Originaltitel: BETHLEHEM

Israel/Belgien/D 2013, 96 min
FSK 16
Verleih: Real Fiction

Genre: Drama, Polit

Darsteller: Shadi Mar’i, Tsahi Halevy, Hitham Omari

Regie: Yuval Adler

Kinostart: 09.01.14

[ Sylvia Görke ]