Wo ein Mord geschieht, nimmt das Leben aller Beteiligten eine dramatische Wendung. Die einen verlieren ein Mitglied ihrer Familie. Die anderen werden zu Mördern. Sie alle leiden. Obwohl Täter und Hinterbliebene durch die Tat untrennbar miteinander verbunden sind, besteht so gut wie nie ein Kontakt. Der Strafvollzug fungiert als undurchdringlicher Puffer.
Hubertus Siegert geht in seinem neuen Film der Frage nach, wie sich dieser weltweite Umgang mit Schuld auf die Betroffenen auswirkt. Ausgangspunkt seiner Recherchen ist das einmalige „Restorative Justice“ Programm, das in einem Gefängnis in Wisconsin Mörder und Hinterbliebene zusammenbringt, damit sie über ihre Gefühle sprechen können. Allerdings treffen hier nicht Täter und Opfer desselben Falles aufeinander, sondern die Menschen begegnen einander nur als Stellvertreter. Dennoch – oder gerade deshalb – findet in diesen berührenden Gesprächsrunden etwas statt, was offensichtlich beiden Seiten gut tut.
Der Film geht sogar einen Schritt weiter und versucht, einen direkten Kontakt zwischen Mördern und den Hinterbliebenen ihrer Opfer herzustellen – in drei ganz unterschiedlichen Mordfällen in Norwegen, Deutschland und in den USA. Obwohl am Ende keines der geplanten persönlichen Treffen stattfindet, wird mehr als deutlich, wie wichtig schon die Andeutung der Möglichkeit und damit verbunden ein kurzer Perspektivwechsel war. Glücklicherweise drängt Siegert weder seine Gesprächspartner noch die Zuschauer zu weiteren Schritten, sondern beschränkt sich einfach auf die Beobachtung dessen, was seine Idee ausgelöst hat.
BEYOND PUNISHMENT ist ein leiser, kluger Film, dem es gelingt, durch die Betrachtung einer Extremsituation unendlich viel über das ganz normale Leben zu sagen. Die Größe der Geste des Verzeihens ist selten so spürbar geworden wie in diesem Film. Selbst wenn es während der Dreharbeiten keinem der Protagonisten gelang, den Tätern zu vergeben, verdichtet sich die Sehnsucht danach im Film immer mehr und wird schließlich in der Einsicht destilliert, daß die Freiheit das ist, was man aus dem macht, was einem angetan wurde. Und wer sich traut, diese Maxime auf das eigene Leben anzuwenden, der begibt sich ohne Zweifel auf eine Reise in ein anderes Leben.
D 2015, 105 min
FSK 12
Verleih: Piffl
Genre: Dokumentation
Regie: Hubertus Siegert
Kinostart: 18.06.15
[ Luc-Carolin Ziemann ] Carolin hat ein großes Faible für Dokumentarfilme, liebt aber auch gut gespielte, untergründige Independents und ins Surreale tendierende Geschichten, Kurzfilme und intensive Kammerspiele. Schwer haben es historische Kostümschinken, Actionfilme, Thriller und Liebeskomödien ... aber einen Versuch ist ihr (fast) jeder Film wert.