Wir wissen nicht genau, ob der Mai wirklich alles neu macht. Scheinbar trifft gar das Gegenteil zu – Leipzigs Kinofans dürfen sich nach Guillermo del Toros THE DEVIL’S BACKBONE nämlich auf einen weiteren gehobenen Schatz älteren Produktionsdatums freuen. Diesmal steht ein Frühwerk von Kim Ki-duk auf dem Programm.
Es dreht sich um Jin-ah, eine Frau von Mitte Zwanzig, welche nicht nur Tiere und das Wasser liebt, sondern ebenfalls großherzig verzeiht, wenn man sie verletzt oder benutzt. Und das kommt oft vor, denn Jin-ah verdient ihren Lebensunterhalt als Prostituierte in einem schäbigen Motel. Die Eigentümer interessieren sich nur für ihre Einnahmen, die Tochter des Hauses, ein etwas androgynes Wesen namens Hye-mi, empfindet blanken Haß, gewalttätige Freier sind keine Seltenheit. Irgendwann eskaliert das Geschehen, die Tragödie scheint schließlich unausweichlich ...
Natürlich erweist sich Ki-duk dabei wieder als gnadenlos entlarvender Kenner menschlicher Seelen. Wenn Jin-ah in einer fatalen Mischung aus Verzweiflung, Rachsucht, Güte und vielleicht auch mißverstandener Macht das Falsche tut, was die gen Katastrophe weisende Spirale der Ereignisse zu immer schnelleren Drehungen provoziert, brodelt schier die Leinwand. Dazu sorgen die Grenze zur Vergewaltigung überschreitende Geschlechtsakte für deutliches Unbehagen; parallel wohnt Jin-ahs einziger expliziter Nacktszene eine fast ernsthafte Unschuld inne.
Dennoch: Wer in Erwartung eines typischen Ki-duk das Kino betritt, dürfte es mit zwiespältigen Gefühlen wieder verlassen, weil der Meister offensichtlich noch unter seinem Niveau bleibt. Biedere Aufnahmen ersetzen den sich sonst entfaltenden Bilderrausch, erstaunlich ausufernde Dialoge sowie musikalische Untermalung vertreiben die für sich selbst sprechende Stille späterer Filme wie HWAL. Schwerer wiegen jedoch einige deutliche Schwächen in der atmosphärischen und erzählerischen Dichte. So erscheint Hye-mis Sinneswandel schon arg abrupt – inklusive eines zu simplen Endes.
Letztlich bekommt man sozusagen Ki-duk Light, was aber natürlich trotzdem immer noch als klare Empfehlung verstanden werden will.
Originaltitel: PARAN DAEMUN
Südkorea 1998, 105 min
Verleih: Novapool
Genre: Drama
Darsteller: Lee Ji-eun, Lee Hae-eun, Ahn Jae-mo, Jeong Hyeong-gi, Son Min-seok
Regie: Kim Ki-duk
Kinostart: 10.05.07
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...