Originaltitel: PAJAROS DE VERANO

Kolumbien/DK/Mexiko 2018, 125 min
FSK 12
Verleih: MFA

Genre: Drama

Darsteller: Carmiña Martínez, Natalia Reyes, José Acosta

Regie: Christina Gallego, Ciro Guerra

Kinostart: 04.04.19

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Birds Of Passage

Das Glück gleicht einem Zugvogel

Es ist eine so archaische wie zeitlose Geschichte, die Christina Gallego und Ciro Guerra in BIRDS OF PASSAGE erzählen: vom rasanten Aufstieg und noch tieferen Fall einer Familie, von Stolz und Niedertracht, von Schuld und Gewalt. Im Grunde wurde sie bereits unzählige Male erzählt, doch wie die beiden diese Motive auf die Leinwand bringen, ist schlicht atemberaubend. Ihr bildgewaltiges Epos spielt auf der Guajira-Halbinsel im äußersten Nordosten Kolumbiens, wo zwischen dem Meer und der Sierra eine wüstenartige Einöde liegt. Dort leben seit Jahrhunderten die Wayuu. 

1968 folgen die Stämme noch weitgehend den Traditionen ihrer Vorfahren. Weil in dieser Welt die Familie alles, das Individuum hingegen nichts ist, stellen die Charaktere in erster Linie familiäre Archetypen dar: die Tochter, der Schwiegersohn, der Onkel. Als der ehrgeizige Rapayet um die schöne Zaida aus einer einflußreiche Familie freit, setzt ihre mächtige Mutter Úrsula den Brautpreis astronomisch hoch an. Aber der junge Mann ist klug und ohne Scheu vor Kontakten mit der Außenwelt. Mit seinem Freund Moises entdeckt er, daß das schier unstillbare Verlangen der Gringos nach Marihuana ein äußerst lukratives Geschäft ist. In Kürze ist Rapayet ein gemachter Mann und Zaida die seine.

Viel mehr als eine Mafiasaga ist BIRDS OF PASSAGE ein Film über den Verlust von Tradition und Identität in einer sich rasant verändernden Gesellschaft. Der plötzliche Wohlstand ist Segen und Fluch zugleich, läßt er sich doch nur schwer mit den Ritualen von einst vereinbaren. Die Wayuu wirken in ihren neuen, prächtigen Häusern seltsam deplaziert. Was nutzen schon Handtäschchen und weiße Sessel in der Wüste? Zwar waren die alten Stammesvorschriften unerbittlich und sperrten die Menschen in ein strenges Regelkorsett, aber gleichzeitig gaben sie ihnen inneren Halt. Vor allem kanalisierten sie die Konflikte der Gemeinschaft. Mit der Erosion der Traditionen setzt sich die Gewaltspirale unaufhaltsam in Gang.

Grausamkeit und Schönheit liegen in diesem Film nur einen Wimpernschlag auseinander: Im Wüstenwind bauschen sich die farbenprächtigen Gewänder der Frauen. Der Sand jedoch wird getränkt vom Blut der Toten, deren Geister den Lebenden fortan keine Ruhe mehr lassen. Im Abspann rauscht monoton der Regen, als würde er das alles vergessen machen wollen.

[ Dörthe Gromes ]