Noch keine Bewertung

Birkenau und Rosenfeld

Eine stoische Reise zu den Gräbern

Die Auseinandersetzung im Kino mit dem Holocaust treibt mitunter verstörende Blüten. Ob es nun die burratinoeske Hampelei von Il Signor Benigni in DAS LEBEN IST SCHÖN oder die recht eindimensionale Heldinnenverklärung in von Trottas ROSENSTRASSE ist, der gut gemeinte Einsatz ungewöhnlicher Mittel zwischen schrägem Humor und Emotionsfuselei geht oft nach hinten los. Wodurch diesen Filmen mit eben jenem Thema mitunter ein Hauch des Peinlichen anhaftet.

Nun ist Marceline Loridan-Ivens ihren Kindheitserinnerungen gefolgt und läßt ihre Hauptfigur Myriam durch einen reichlich gespreizt plazierten Reiseanlaß nach Birkenau zurückkehren: sie gewinnt bei einem KZ-Überlebenden-Treffen ein Flugticket, von Paris nach Krakau. Dort angekommen, ereilen sie zwangsläufig schmerzliche Erinnerungen. Und sie trifft auf den ungeduldigen Fotografen Oskar, der ihr nicht mehr von der Seite weicht. Da er "das Unsichtbare zeigen" will, begehen sie gemeinsam das KZ ...

Ihr Schicksal zu erzählen, nahezubringen, vor dem Vergessen zu bewahren - das ist Loridan-Ivens leider in nur sehr seltenen Momenten gelungen. Das Problem dieser filmischen Reise ist dabei vielschichtig. Zum einen stellt sich - auch durch das eisige, ja beinahe stoisch-erhabene Spiel Anouk Aimées - keinerlei Beziehung zur Hauptfigur her. Das kommt einem kardinalen Dolchstoß gleich, geht es hier doch um die Aufarbeitung eines persönlich erlebten und gelebten Dramas. Zum anderen wählte die Regisseurin eine Dialog- und Bildsprache, wie sie in Großstadttheatern greifen mag - hier steht sie der ohnehin mit sehr flüchtigem Rhythmus erzählten Geschichte nur sperrig im Wege. So bleiben die Motive ihrer Figuren allenfalls waghalsig plausibel, so wird der Gang durch die unschöne deutsche Geschichte leider zu larmoyant und ungeschickt aus dem Off geraunt, wodurch der Zuschauer sich eher abwendet oder gleich ganz aussteigt.

Die deutsche Synchronfassung ist da leider kaum behilflich, da man sich für die zwar prinzipiell sehr angenehme Stimme Hannelore Elsners entschied, mit der aber der Zuschauer ein völlig anderes Wesen assoziiert, gar scheint sie regelrecht fehl am Platz, zu vordergründig und irgendwie immer zu warm für die eher kühle Myriam.

Originaltitel: LA PETITE PRAIRIE AUX BOULEAUX

D/F/Polen 2002, 90 min
Verleih: Academy Films

Genre: Drama

Darsteller: Anouk Aimée, August Diehl

Regie: Marceline Loridan-Ivens

Kinostart: 15.04.04

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.