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Black Book

Die Guten, die Bösen und die Anderen

n Hollywood setzte der Niederländer Paul Verhoeven Marken. Nun hat das alte Europa seinen verlorenen Sohn wieder. Das Handwerkszeug der Studios ist mitgereist, offenbar auch eine gewisse Unbefangenheit, die erprobten Spannungs- und Unterhaltungsinstrumente an einem Stoff anzusetzen, der so leicht Schaden nehmen könnte. So ist Verhoevens Geschichte der niederländischen Jüdin Rachel Stein, die während der Nazibesatzung in den Widerstand geht, keinesfalls eine Übung in filmästhetischer Askese. Sie verfügt über Dekors in schmeichelndem Licht, die Ärmlichkeit oder obszönen Überfluß bebildern. Sie gleitet durch die Szenen wie durch Butter. Sie stellt sich musikalisch auf das Lieben und Leiden ein, ebenso wie auf Momente der Gefahr. Und derer gibt es so viele.

Rachels erstes Versteck wird ausgebombt, der nächste Helfer verraten, ermordet, gemeinsam mit Vater, Mutter und Bruder. Beim Vermögensverwalter der Familie sucht sie Hilfe, bei niederländischen Widerstandskämpfern kommt sie unter. Um einen von ihnen zu retten, wird sie zur arischen, blonden Ellis. Sie bändelt mit dem deutschen Offizier Müntze an, der sie und ihre "jüdischen Brüste" lieben lernt, bis beide in einer Intrige aufgerieben werden, von unerwarteter Seite eingefädelt.

Jenseits des kunstvollen Holocaust-Dramas, aber ebenso weit entfernt vom Es-sich-bequem-Machen vor einem moralisch abgeernteten historischen Hintergrund hat Verhoeven einen über die volle Distanz fesselnden Thriller gemacht. Natürlich gibt es Vereinfachungen, natürlich hält er sich beim Spagat zwischen ernsthaftem Thema und ernst zu nehmenden Genreregeln an dem fest, was er besser kann. Aber die Zielsicherheit, mit der er im Schicksal einer Verfolgten den Widerspruch von vertrauen müssen und vertrauen können herausarbeitet, zeugt von psychologischer, vor allem filmischer Intelligenz.

Die Guten und die Bösen sind hier schwerer auszumachen als anderswo, wie Rachel/Ellis am eigenen Leib erfahren muß. Und den Stereotypen vom bösen Nazi und dem guten Rebellen steht ein vielschichtiges Spektrum an moralischen Grauzonen gegenüber, in das ein gut sortiertes deutsch-niederländisches Ensemble psychologische Farben bringen kann.

Originaltitel: BLACK BOOK

D/GB/NL/Belgien 2006
Verleih: NFP

Genre: Drama, Historie, Liebe

Darsteller: Carice van Houten, Thom Hoffman, Sebastian Koch, Waldemar Kobus, Christian Berkel

Regie: Paul Verhoeven

Kinostart: 10.05.07

[ Sylvia Görke ]